Dr. Marco Buschmann
Pressemitteilung

BUSCHMANN-Interview: Klingt nett, ist aber in Wahrheit unmenschlich

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann gab der „Welt“ (Freitagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Martin Niewendick:

Frage: Herr Buschmann, Robert Habeck strebt eine existenzsichernde Grundsicherung an, bei der die Bedürftigkeit – anders als beim Bedingungslosen Grundeinkommen – nachgewiesen werden muss. Was halten Sie davon?

Buschmann: Grundsätzlich brauchen wir eine Modernisierung des Sozialstaates, aber dieser Vorstoß geht in die völlig falsche Richtung. Robert Habeck geht von einer falschen Voraussetzung aus: Der fixen Idee, dass uns die Arbeit ausgehen würde, was nicht stimmt. Außerdem wäre das Vorhaben unfinanzierbar, denn er würde ein Vielfaches des Bundeshaushaltes kosten.

Frage: Habeck spricht von rund 30 Milliarden Euro, die aus einer gerechteren Verteilung der Wohlstandsgewinne gegenfinanziert werden könnten.

Buschmann: Habeck orientiert sich am Modell des bedingungslosen Grundeinkommens. Denn Habeck betont, dass die Leistungen bedingungslos ausgezahlt werden sollen. Experten schätzen die Kosten dafür auf bis zu 960 Milliarden Euro. Das ist das Dreifache des Bundeshaushaltes.

Frage: Könnten Sie das etwas konkretisieren? Die Zahlung würde ja nicht an alle Menschen getätigt, sondern nur an nachweislich Bedürftige.

Buschmann: Habecks Konzept sieht ausdrücklich vor, dass die Leistungen bedingungslos gewährt werden. Allein der Bedarf werde individuell geprüft. Da geht es also nicht um das „ob“ der Leistung, sondern um die Höhe der Leistung. Sie steht also jedem offen.

Frage: Der Zwang zur Arbeitsaufnahme und entsprechende Sanktionen sollen abgeschafft werden, für die Teilnahme an Beratung und Weiterbildung würde man belohnt. Gängelung abschaffen, Eigeninitiative und Leistungswillen belohnen – klingt doch ziemlich liberal, oder?

Buschmann: Das klingt nett, ist aber in Wahrheit unmenschlich. Habeck geht davon aus, dass wir für einen Teil der Menschen nichts mehr zu tun haben und dass man ihnen deshalb eine Art Stilllegeprämie bezahlen müsste. Das Gegenteil stimmt: Die Digitalisierung wird viele zusätzliche Jobs schaffen. Studien zeigen, dass die Digitalisierung in den nächsten Jahren weltweit fast 60 Millionen mehr Jobs schafft als durch sie wegfallen. Dazu kommt der demografische Wandel. Künftig werden wir mehr Menschen zur Aufnahme einer Arbeit gewinnen müssen. Der Sozialstaat darf nicht das Leitbild des Abstellgleises verfolgen. Er muss aktivieren und motivieren.

Frage: Wie sollte man den Sozialstaat stattdessen modernisieren?

Buschmann: Wir wollen die vielen Einzelleistungen und -prüfungen stärker zusammenlegen. Entscheidend ist auch, dass sich die Arbeitsaufnahme immer lohnen muss. Bei Hartz IV können ihnen im ungünstigsten Fall bis zu 80 Prozent des Geldes, das sie sich etwa über Teilzeit hinzuverdient haben, angerechnet – also weggenommen werden. Dabei sagt der Staat durch die Blume: Eigentlich wollen wir gar nicht, dass du arbeitest. Das ist falsch. Wer sich in kleinen Schritten aus der Abhängigkeitssituation von Hartz IV herausarbeiten will, muss die Hälfte seines Zuverdienstes behalten können.

Frage: Ist es nicht vernünftig, sich von Leistungsbeziehern das zurückzuholen, was die Solidargemeinschaft für sie aufbringt?

Buschmann: Das ist der ursprüngliche Gedanke. Aber in der Regel finden Menschen nicht sofort die Vollzeitstelle, die sie auf einen Schlag aus dem Bezug von Transferleistungen herausholt. Normalerweise gelingt das über einen Teilzeit-Job. Man wird wieder in den Arbeitsmarkt integriert und kann seine Leistungsbereitschaft beweisen. Das steigert die Motivation und so nähert man sich seinem Ziel. Diese positive Aufwärtsspirale wird unterbrochen, wenn man den Menschen schon im ersten Schritt signalisiert, dass ihre Arbeit kaum etwas wert ist. So bleiben am Ende mehr Menschen in der Abhängigkeit vom Sozialstaat.

Frage: Eine Anhebung des Schonvermögens, wie Robert Habeck vorschlägt, wäre demnach in Ihrem Sinne?

Buschmann: Bestimmte Bereiche dürfen vom Staat nicht angetastet werden. Das ist etwa die selbstgenutzte Immobilie, auf die man sein ganzes Leben hingearbeitet hat. Keine Miete zahlen zu müssen, ist auch Armutsschutz. Auch selbst erarbeitetes Vermögen darf nicht sofort vollständig weggenommen werden. Insofern halte ich eine Debatte darüber für sinnvoll.

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