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Johannes Vogel
Pressemitteilung

VOGEL-Gastbeitrag: Das Rentenpaket umgeht die Schuldenbremse

Der rentenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Johannes Vogel schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Samstagsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Minus mal minus ergibt nichts Positives, politisch jedenfalls. Das unterscheidet Politik und Mathematik und ist zugleich die Quintessenz der Rentenpolitik der großen Koalition. CDU, CSU und SPD gehen zum zweiten Mal hin und schnüren zweifelhafte Maßnahmen zu einem noch problematischeren Paket zusammen, das sie am Freitag in den Bundestag eingebracht haben. Und das, kurz bevor die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Die Regierung untergräbt so auf fatale Art und Weise das Fundament der Rentenfinanzen, welches in den 2000er Jahren einmal in einem überparteilichen Konsens stabilisiert wurde.

Stattdessen verteilt die große Koalition das Geld mit der Gießkanne, denn rund 90 Prozent der Ausgaben des aktuellen Rentenpakets helfen gar nicht zielgerichtet gegen Altersarmut. Dabei schafft die Union neue versicherungsfremde Leistungen – und finanziert diese abermals mit dem Griff in die Rentenkasse statt aus Steuermitteln, wie es ordnungspolitisch geboten wäre. Das ist nichts anderes als eine Umgehung der Schuldenbremse des Grundgesetzes, weshalb wir solchen Manövern mit einer entsprechend erweiterten Verfassungsschranke künftig einen Riegel vorschieben sollten.

Die SPD wiederum macht sich an die Manipulation der Rentenformel, die sie selbst einmal eingeführt hat, um die Kosten des demographischen Wandels fair zu verteilen. Die Änderung geht vollständig zu Lasten der Jüngeren. Die Deklaration als „Stabilisierung des Rentenniveaus“ (einer reinen Rechengröße) verschleiert, dass die Renten auch künftig weiter steigen – nur nicht ganz so stark wie die Löhne. Suggeriert wird dagegen, die Renten würden sinken. So schürt man Ängste.

Die Kosten sind astronomisch. Schon im Jahr 2035 würden – nach Berechnungen eines Vertreters der regierungseigenen Rentenkommission – mehr als 80 Milliarden Euro zusätzlich benötigt. Pro Jahr!

Die Einigung auf dieses Rentenpaket ist unübersehbar eine Einigung zu Lasten Dritter: der Steuer- und Beitragszahler in der Mitte unserer Gesellschaft, insbesondere der jüngeren Generation. Schon in dieser Legislaturperiode liegt der Beitragssatz fast einen Prozentpunkt höher, als es ohne die beiden Rentenpakete der Fall wäre. Das ist Geld, das gerade Geringverdienern schmerzhaft fehlt. Und zu der Finanzierungsfrage erschöpfen sich die Tatkräfte der Regierungsparteien in der Einberufung einer Expertenkommission. Dabei schafft die große Koalition einen wesentlichen Teil der Probleme selbst, zu deren Lösung sie den Rat der Experten einholen will. Das ist der fatale Ausdruck einer Politik, die nur noch in Legislaturperioden denkt, obwohl es gerade in der Rentenpolitik um Jahrzehnte gehen sollte.

Ein seriöser politischer Gegenentwurf müsste die Rentenpolitik unter eine ganz andere Überschrift stellen: Weg vom sozialstaatlichen Mantra immer größerer Ausgaben und hin zu einer modernen Sozialpolitik, die zielgerichtet agiert, nachhaltig finanziert ist und zu unserer dynamischen und vielfältigen Gesellschaft passt. Was hieße das konkret? Erstens, rentenpolitische Maßnahmen sollten viel stärker als bisher auf die Bekämpfung von Altersarmut konzentriert werden. Statt auch gut versorgte Ruheständler zusätzlich zu bedenken, wäre es richtig, durch kluge Regelungen dafür zu sorgen, dass langjährige Beschäftigte sicher mehr haben als die Grundsicherung und im Alter nicht zum Sozialamt müssen.

Zweitens ist angesichts der Demographie die kapitalgedeckte Altersvorsorge unverzichtbar. Sie muss endlich einfacher, verbraucherfreundlicher und aktienorientierter werden. Die Niederlande, Schweden oder die Schweiz gehen aus guten Gründen genau diesen Weg. Drittens sollten wir im Sinne eines Baukastenprinzips denken: Lebensläufe werden vielfältiger, unser Rentensystem muss daher auch zu Zickzack-Lebensläufen passen. Heute kann man etwa beim Wechsel zwischen Anstellung und Selbständigkeit nicht einmal die staatliche Förderung der Altersvorsorge mitnehmen. Kern einer solchen neuen Vielfältigkeit wäre ein flexibler Renteneintritt nach skandinavischem Vorbild, der es jedem Einzelnen überlassen würde, wann er in Rente gehen will. Unsere nordischen Nachbarn machen vor, dass sich so ein gesellschaftlicher Konsens über die Streitfrage Renteneintrittsalter erreichen lässt und die Menschen im Schnitt sogar länger arbeiten wollen.

Die große Koalition hat sich für einen anderen Weg entschieden. Begründet wurde das unter anderem vom Finanzminister mit dem fadenscheinigen Argument, so „verhindere man einen deutschen Trump“. Das ist abwegig. Zum einen gab es schon in der vergangenen Legislaturperiode die größte Leistungsausweitung in der Sozialpolitik seit Jahrzehnten, trotzdem sitzt seit 2017 eine rechtspopulistische Fraktion im Bundestag. Zum anderen sind es vor allem Ängste, die Populisten groß machen. Ängste bekämpft man nicht, indem man sie schürt und dann als Antwort ungedeckte Schecks verteilt. Rentenpopulismus ist keine Antwort auf Rechtspopulismus.

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