Parl. Geschäftsführer
Sprecher für Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften

Haushaltsausschuss

Dr. Stefan Ruppert
Pressemitteilung

RUPPERT-Gastbeitrag: Erosion der Gewaltenteilung

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Stefan Ruppert schrieb für „FAZ Einspruch“ den folgenden Gastbeitrag:

„Mitgliedern der Bundesregierung können Parlamentarische Staatssekretäre beigegeben werden“, heißt es in Paragraph 1 Absatz 1 des Gesetzes „über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre“. Über Befugnisse, Anforderungen und die Ausgestaltung der Tätigkeit schweigt das Gesetz weitgehend, obwohl die Zahl der zuvor meist einflussreichen Abgeordneten stetig steigt. Angesichts dessen kritisiert der Bund der Steuerzahler regelmäßig die immensen Kosten für Gehalt und Amtsausstattung, doch diese Kritik greift zu kurz. Viel dramatischer ist eine Erosion der Gewaltenteilung.

Eingeführt wurde das Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs erstmals im Jahre 1967 – im Schnellverfahren von der ersten Großen Koalition. Bis zum Ende der Legislaturperiode gab es die Position bereits in allen Bundesministerien. Rasch wurde in vielen Ministerien die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre aufgestockt. Dem vierten Kabinett Angela Merkels gehören nun mehr parlamentarische Staatssekretäre an als jedem anderen zuvor – und zwar 35. Im Jahr 2004 waren es noch 23.

Ursprünglich sollte dieses Amt dazu dienen, begabte Nachwuchspolitiker für eine spätere Ministertätigkeit zu qualifizieren. In Wirklichkeit aber ist die Zahl derjenigen, für die der Posten eine Durchgangsstation auf dem Weg zum Minister oder gar Fraktionsvorsitzenden war, sehr begrenzt. Selbst wenn der Aufstieg – wie etwa bei Jens Spahn – gelingt, verdankt dieser sich nicht der vorigen Ausbildungsstation, sondern eher der Einbindung eines innerparteilichen Kritikers in die Kabinettsdisziplin.

Die Folgen der wachsenden Zahl Parlamentarischer Staatssekretäre werden vor allem in den Ausschüssen des Bundestages sichtbar. Während Besucher des Reichstages fest davon ausgehen, dass die jeweiligen Ministerinnen und Minister den Abgeordneten im Ausschuss Rechenschaft ablegen, geschieht dies in der Realität höchst selten. Mancher Minister verirrt sich gar über Jahre nicht in seinen Ausschuss.

Die im Betrieb des Bundestages meist mit PStS abgekürzten Frauen und Männer vertreten Minister im Ausschuss ebenso wie bei weniger bedeutsamen Terminen. Nicht selten verdanken sie den neuen Posten ihrer Position als einflussreiche Abgeordnete, die parlamentarische Macht tauschen sie jedoch meist schnell gegen eine mehr oder weniger starke Fremdbestimmung aus „dem Haus“ aus.

Sie verlesen die in den Ministerien verfassten Sprechzettel, tragen vorgeschriebene Reden vor, von denen sie nach Auffassung der Ministerialbürokratie möglichst nicht abweichen sollten, und vertreten die Auffassung ihres Hauses. Rechtlich können sie dabei kaum Einfluss auf die politische Ausrichtung ihres Ministeriums nehmen. Als Leiter einer obersten Bundesbehörde wird der Minister nämlich von beamteten Staatssekretären vertreten, denen somit auch die Führung der Beamtinnen und Beamten des Ministeriums obliegt. Sie und nicht die Parlamentarier tragen die Verantwortung für die Projekte und die Karrieren in ihren Häusern. Lediglich ausnahmsweise kann ein Minister nach Paragraph 14a der Geschäftsordnung der Bundesregierung einem Parlamentarischen Staatssekretär spezielle Aufgaben im Ministerium zuweisen. Es ist insofern mehr als eine sprachliche Feinheit, wenn korrekt vom beamteten Staatssekretär im Bundesministerium und vom Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister gesprochen wird. Entsprechend scheidet der Parlamentarische Staatssekretär automatisch mit dem Minister aus dem Amt aus, anders sein beamteter Kollege.

In der Staatspraxis bleibt diese durchaus begründete institutionelle Ordnung nicht ohne Konsequenz: Sie stärkt die Exekutive und schwächt das Parlament. Mit der Position des Parlamentarischen Staatssekretärs werden zumeist einflussreiche Abgeordnete in eine erweiterte Kabinettsdisziplin eingebunden. Nicht zuletzt deswegen folgt die Besetzung einem für den Außenstehenden kaum durchschaubaren Proporz. Mächtige Landesgruppen innerhalb der Fraktion werden ebenso bedacht wie politische Flügel der Partei. Minister umgeben sich durch die Parlamentarischen Staatssekretäre mit einem mächtigen Schutzwall gegenüber dem Parlament und wirken weit einflussreicher in die sie tragenden Fraktionen hinein, als es ihnen selbst möglich wäre.

Man kann sich fragen, ob die nur dem Namen nach große Koalition ohne dieses Instrument überhaupt noch die ohnehin magere Kanzlermehrheit von neun Stimmen zuwege gebracht hätte. Sie bedurfte wohl der drastischen Erweiterung des kontrollierten Personenkreises, um überhaupt noch eine Mehrheit zu erlangen.

Noch schlimmer als diese personalpolitische Frage wiegt aber ein anderer Aspekt: Es kommt zu einer Erosion der machtvollen Kontrolle der Regierung durch das Parlament. Wenn die Bundesregierung einen wesentlichen und besonders mächtigen Teil des Parlaments selbst stellt, bleibt dies nicht ohne Folgen. Als Landesgruppenvorsitzende, Listenführer und Inhaber hoher Parteiämter dominieren die Parlamentarischen Staatssekretäre auch die Regierungsfraktionen.

Die asymmetrische Demobilisierung Angela Merkels, das Einschläfern des Ringens um politische Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Parlament, findet in der Vielzahl der Parlamentarischen Staatssekretäre eines seiner wirkungsvollsten Instrumente. Regierungsfraktionen drohen mehr zu verlängerten Armen der Bundesregierung zu werden als zu deren eigentlichem Kontrollorgan. Wer diese wichtige Debatten- und Kontrollfunktion alleine der Opposition überlassen will, der verkennt das Wesen der Gewaltenteilung.

Zwar hat die Funktion des Parlamentarischen Staatssekretärs angesichts der Komplexität des Regierungshandelns durchaus ihre Berechtigung. Im Interesse einer funktionierenden Gewaltenteilung sollte ihre Zahl aber auf eine pro Ministerium und wenige Stellen mit konkreten Aufgaben beschränkt werden – nicht der Kosten, sondern der Demokratie wegen.

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