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Impulse für die Wirtschaftswende

Um über mehr Wettbewerbsfähigkeit durch bessere Standortfaktoren zu debattieren, kamen zur Veranstaltung in der Reihe „Wachstumsstimmung“ im Paul-Löbe-Haus Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammen. Dabei ging es um mehr, als die Grundlage, dass erst erwirtschaftet werden muss, was verteilt wird.

Prof. Dr. Veronika Grimm spricht auf dem Podium

Prof. Dr. Veronika Grimm spricht auf dem Podium. Foto: James Zabel

Die herausfordernden Lagen fasste Prof. Dr. Veronika Grimm aus dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage zusammen. Im Haushalt seien die Ausgabenbedarfe weit höher als die existierenden Spielräume. „Wir haben das große Problem, das ein großer Teil der Haushalte zementiert ist“, sagte Grimm. Die Leistungsansprüche dahinter könne man nicht einfach abschaffen. Ebenfalls als „großes Problem“ bezeichnete Grimm die unterschiedlichen Ansätze zum nun einzuschlagenden wirtschaftspolitischen Kurs, um die notwendige Wirtschaftswende einzuleiten. Ein Kompromiss zwischen einer dirigistischen Perspektive mit Markteingriffen und dem Kurs, der auf die Kräfte der Marktwirtschaft setzt, könne nicht gut gehen. „Damit wird man nicht vorankommen.“

"Wir haben keinen Mangel an Erkenntnis"

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Reinhard Houben, ordnete die Situation ein. „Langsam sickert sowohl in der Politik als auch bei den Menschen durch, dass es so, wie wir es in den letzten 20 Jahren gemacht haben, eben nicht mehr funktioniert.“ Verteilungskämpfe würden beginnen. „Es ist eigentlich allen klar“, sagte Houben, „entweder müssen wir viel mehr arbeiten oder viel effektiver werden oder wir werden […] ärmer.“ Arm würde dabei nicht individuell weniger Geld im Portemonnaie heißen, sondern schon den Zustand von Straßen und Schulen meinen. „Wir haben keinen Mangel an Erkenntnis, sondern einen Mangel an Mut, es den Menschen zu erklären und die Menschen mitzunehmen“, meinte Houben. Dem widersprach der DIHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Wansleben vehement.

„Was wir feststellen, ist, dass der Common Sense über bestimmte wirtschaftliche existenzielle Grundlagen verloren geht“, sagte Dr. Martin Wansleben. Diejenigen, die in Deutschland und Europa das Lieferkettengesetz beschlossen haben, wüssten nicht, was internationales Geschäfte bedeute. „Sie wissen nicht, was sie tun“, mahnte Wansleben an. Mittlerweile gebe es Diskussionen, bis zur Regierungszentrale, weil es auch dort niemand wisse. Der DIHK-Hauptgeschäftsführer nahm kein Blatt vor den Mund. In dramatischer Weise stellte er dar, wie die aktuelle Politik der Wirtschaft nachhaltigen Schaden zufüge. Er kritisierte auch den „pepplosen“ Europawahlkampf. „Als wäre die Europawahl eine Nebenwahl.“ Aus Sicht der Wirtschaft sei eher die Bundestagswahl eine Nebenwahl.

Optimistischer blickt Dr. Wolfgang Dierker, General Manager Corporate External & Legal Affairs bei Microsoft, auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. Microsoft sehe in Deutschland ein „enormes Potenzial“ in Bezug auf den Markt, die Fachkräfte, die Talente und Forschung und Entwicklung. Außerdem würden die Rechenzentren in Deutschland an der richtigen Stelle liegen. „Es ist kein Geheimnis, dass Deutschland in der Mitte Europas natürlich über besonders gute Internetknoten verfügt“, sagte Dierker. Zudem sehe er in Deutschland eine große Bereitschaft, in Künstliche Intelligenz zu investieren und diese auch auszuprobieren.

Zum Ende der Podiumsdiskussion gab Reinhard Houben auf die Publikumsfrage nach dem Ende der Koalition eine klare Antwort: Als Kaufmann wolle er Verträge, die er geschlossen hat, auch erfüllen.

Anschließend stellte Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann die Herausforderungen des Bürokratieabbaus dar. Den Bürgern und Betrieben attestierte er einen Bürokratie-Burnout. „Ich glaube, dass die Menschen […] vom Regelungsdickicht […] so erschöpft sind, dass ihnen eigentlich die notwendige Kraft fehlt, sich all den anderen Dingen zu widmen, die jetzt anstehen“, sagte Buschmann, der sich selbst als Bürokratieabbauminister im Nebenjob bezeichnete. Gemeint sind Digitalisierung, Personalaufgaben, Lieferketten.

Brüssel produziert schneller Bürokratie als Deutschland abbauen kann

Doch: „Das größere Spielfeld beim Bürokratieabbau ist das Europarecht“, sagte Buschmann. 58 Prozent des Erfüllungsaufwandes würden aus der Umsetzung europäischer Richtlinien stammen. „Ich kann gar nicht so schnell Bürokratie im Bundesrecht im Moment abbauen, […] wie sie mir Ursula von der Leyen hinterher produziert“, erklärte Buschmann. Um dieser Sache Herr zu werden, vereinbarte er mit dem französischen Kabinett, sich auf europäischer Ebene gemeinsam für den Bürokratieabbau einzusetzen.

Auf nationaler Ebene soll das Meseberger Bürokratieabbaupaket um drei Milliarden Euro entlasten. Doch die Bürokratie ist auch eine gesellschaftspolitische Frage. Buschmann sprach vom Problem der „aufgedrängten Illegalität“. Wenn Akteure keine Chance mehr haben, sich im Regelungswust legal zu verhalten, bringe das auch einen Vertrauensverlust in den Staat mit sich. Am 17.Mai kommt das Bürokratieentlastungsgesetz IV in die erste Lesung in den Bundestag.

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