Erster Parlamentarischer Geschäftsführer

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

Johannes Vogel
Pressemitteilung

VOGEL-Interview: Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Johannes Vogel gab der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Donnerstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Dietrich Creutzburg:

Frage: Herr Vogel, der Wirtschaftsminister will den Heizungstausch gesetzlich regeln, der Arbeitsminister eine Pflicht zur Ar­beitszeiterfassung für alle Arbeitnehmer. Gibt es eigentlich auch Pläne, einmal Vorschriften für Bürger abzubauen?

Vogel: Die gibt es! Auf Betreiben der FDP haben wir als Ampelkoalition ja gerade ein massives Planungsbeschleunigungspaket auf den Weg gebracht, das den Ausbau der Infrastruktur durch weniger Vorschriften voranbringt. Und das Justizministerium arbeitet an einer großen Bürokratieentlastungsinitiative. Daraus folgt aber natürlich nicht, dass wir anderswo realitätsferne Bürokratie aufbauen dürfen – ob im Heizungskeller oder in der Arbeitswelt. Deutschland fällt wirtschaftlich zurück, es muss sich darauf besinnen, seinen Wohlstand zu sichern. Dafür brauchen wir mehr angebotsorientierte Wirtschaftspolitik und bessere Rahmenbedingungen für Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen.

Frage: Arbeitsminister Heil plant eine gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für alle Beschäftigten, außer für Beamte und Richter. Wie passt das dazu?

Vogel: Ich kenne dazu noch keinen offiziellen Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums. Und ich halte Hubertus Heil für einen klugen Mann . . .

Frage: . . . aber seit April gibt es einen Entwurf, der in Heils Arbeitsministerium verfasst wurde.

Vogel: Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Papier die Vorstellung des Arbeitsministers abbildet. Sonst müsste er noch einmal wirklich grundlegend darüber nachdenken. Denn auch wenn manche Debatte nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes etwas anderes suggerierte: Nichts nötigt uns, eine allgemeine Pflicht zur Zeiterfassung einzuführen und damit die sogenannte Vertrauensarbeitszeit zu verbieten. Im Koalitionsvertrag haben wir explizit vereinbart, sie zu erhalten. Be­schäftigte, die von sich aus kein Interesse haben, täglich Beginn und Ende ihrer Arbeit mit Uhrzeit, Dauer und Pausen aufzuzeichnen, dürfen nicht vom Staat dazu gezwungen werden. Das ist für die FDP ein zwingender Punkt.

Frage: Im besagten Entwurf steht, dass es weiterhin Vertrauensarbeitszeit geben soll. Das reicht Ihnen offenbar nicht aus?

Vogel: Dort steht zwar der Begriff „Vertrauensarbeitszeit“, aber in Wahrheit handelt die betreffende Passage von Gleitzeit: Arbeitgeber sollen weiter nicht verpflichtet sein, allen Beschäftigten die genaue Uhrzeit von Arbeitsbeginn und -ende fest vorzugeben. Das wäre ja total absurd, im digitalen Zeitalter auch noch Gleitzeit verbieten zu wollen. Und an anderer Stelle im Entwurf steht zwar eine mögliche Ausnahme von der Zeiterfassungspflicht für Berufe, in denen Menschen selbstbestimmt arbeiten – aber nur unter dem Vorbehalt, dass die Ausnahme zusätzlich durch einen Tarifvertrag erlaubt wird. Für uns ist ganz klar, dass es generell keinen Vorbehalt gegen selbstbestimmtes Arbeiten geben darf, auch nicht für jene, die keinem Tarifvertrag unterliegen. Denn auch die negative Koalitionsfreiheit ist ein Grundrecht.

Frage: Überrascht es Sie, dass Arbeitsminister Heil die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag in dieser Weise interpretiert?

Vogel: Ich will nicht ernsthaft glauben, dass das Papier seinen Willen wiedergibt. Eventuell will er damit Verhandlungspositionen aufbauen gegenüber der FDP. Aber dann sage ich dazu klar: Für uns gibt es keine Gründe, jetzt ausgerechnet diese Punkte aus dem Koalitionsvertrag nachzuverhandeln. Das Letzte, was Deutschland jetzt braucht, ist ein neues Bürokratiemonster für die Wirtschaft und die mo­derne Arbeitswelt.

Frage: Offenbar gibt es Pläne, Beamte – zum Beispiel Lehrer – sowie Richter gesetzlich davon auszunehmen. Wäre das politisch ein Kompromissweg?

Vogel: Natürlich nicht. Es kann ja nicht sein, dass der Staat für sich Sonderregeln in Anspruch nimmt, weil ihm seine eigenen Vorschriften nicht passen. Das gilt fürs Heizen, wo der Wirtschaftsminister keine laxeren Vorgaben für öffentliche Gebäude machen darf. Und es gilt ebenso für die Zeiterfassung in der Arbeitswelt. Die Lösung ist Flexibilität für alle.

Frage: Der Koalitionsvertrag sieht noch etwas vor: Es soll mehr Spielraum für flexible Arbeitszeiten geben. Kennen Sie dazu schon Pläne des Arbeitsministers?

Vogel: Nein, und da gerät der Arbeitsminister auch zunehmend in Verzug. Dass er sie, abweichend vom Koalitionsvertrag, nicht schon 2022 vorgelegt hat, war noch nachvollziehbar vor dem Hintergrund der vielen Herausforderungen durch Putins völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine. Aber selbstverständlich gehört dieser Punkt mit auf den Tisch, wenn es jetzt um die Arbeitszeit geht.

Frage: Worum geht es Ihnen da genau?

Vogel: Kurz gesagt: Wir wollen auch die Viertagewoche ermöglichen – aber niemandem vorschreiben.

Frage: Wie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken?

Vogel: Nein, im Gegenteil. Es ist nicht Aufgabe der Politik, die Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich einzuführen. Aber es ist Aufgabe der Politik, es möglich zu machen, wenn jemand seinen vollen Lohn an vier Tagen erarbeiten möchte. Wenn in einem Arbeitsverhältnis 35 oder 38 oder 40 Stunden pro Woche vereinbart sind, dann muss man den Menschen doch nicht noch zusätzlich vorschreiben, dass sie diese Stunden auf fünf Tage verteilen müssen. Wer dieses Pensum stattdessen auf vier Tage konzentrieren und dafür drei freie Tage je Woche haben möchte, sollte zumindest die Möglichkeit haben, dies mit seinem Arbeitgeber zu vereinbaren. Genau das aber verbietet das deutsche Arbeitszeitgesetz mit der Tageshöchstarbeitszeit von acht Stunden im­mer noch, obwohl es die europäische Ar­beitszeitrichtlinie erlaubt. Das sollten wir ändern.

Frage: Im Koalitionsvertrag ist zum Thema flexible Arbeitszeit nur von einer „befristeten Regelung“ und begrenzten „Experimentierräumen“ die Rede. Wie wollen Sie die SPD da in der Ampelkoalition für mehr gewinnen?

Vogel: Ob das gleich dauerhaft oder erst einmal befristet ermöglicht wird, erscheint mir nicht zentral. Hauptsache, es kommt erst einmal – dann wird es sich auch bewähren! Ich erlaube mir den Hinweis, dass ein solches Vorhaben schon zweimal in Koalitionsverträgen von Union und SPD gestanden hat – wir Freie Demokraten wollen es aber wirklich anpacken. Außerdem geht es ja nicht darum, Beschäftigten etwas vorzuschreiben, das sie nicht wollen. Auch nicht darum, dass die Menschen in Summe länger arbeiten und weniger Pausen haben sollen als heute. Es geht darum, jenen mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen, die das gerne wollen. Hier lohnt es sich wirklich, Vorschriften abzubauen – im Interesse der Menschen, zum Beispiel auch für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und im Interesse der Wohlstandssicherung für unser Land. Dafür müssen wir hart arbeiten, um wieder nach vorne zu kommen.

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