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Stephan Thomae
Pressemitteilung

THOMAE-Interview: Seehofer sollte dem Land einen Dienst erweisen und sich zurückziehen

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae gab dem „Deutschlandfunk“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Tobias Armbrüster:

Frage: Herr Thomae, war das der richtige Zeitpunkt für diese Entscheidung?

Thomae: Es war die richtige Entscheidung, aber es war nicht der richtige Zeitpunkt. Der Innenminister hätte diese Entscheidung viel früher treffen müssen, dann wäre dem Land eine wochen-, ja sogar monatelange bizarre Diskussion erspart geblieben. Herr Seehofer hat ja zusammen mit Herrn Maaßen die Koalition bisweilen an den Rand des Abgrundes geführt durch diese lange Diskussion.

Frage: Von den Grünen hat man gehört, die bezeichnen den Innenminister Horst Seehofer inzwischen selbst als Sicherheitsrisiko. Würden Sie dem zustimmen?

Thomae: Es wäre sehr, sehr gut und sehr wichtig gewesen, die Nachfolgefrage nach Hans-Georg Maaßen schnell zu klären, also schnell Herrn Maaßen abzuberufen, schnell über die Nachfolge zu entscheiden. Wir haben es ja immerhin nicht mit irgendeiner Führerschein- oder Baubehörde zu tun, sondern mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, also einer wichtigen, ja zentralen Sicherheitsbehörde in unserem Land. Dort ist jetzt über Wochen und Monate eine klare Führung nicht gegeben gewesen. Zwar hat der Vizepräsident das Amt ausgeübt, aber weitreichende Entscheidungen, die langfristige Folgewirkungen haben, kann natürlich ein Interimsvertreter nicht vornehmen.

Frage: Welche Konsequenzen sollte Horst Seehofer dann ziehen?

Thomae: Nachdem Herr Seehofer durch Zögerlichkeit und Unentschlossenheit solche Konsequenzen, solche Folgewirkungen ausgelöst hat, wäre es aus meiner Sicht konsequent, wenn er sich entscheiden würde, dem Land dadurch einen Dienst zu erweisen, dass er sich aus seinem Amt zurückzieht.

Frage: Herr Thomae, ist Hans-Georg Maaßen ein Verschwörungstheoretiker?

Thomae: Ich denke, wir sollten jetzt nicht weiter über Hans-Georg Maaßen reden. Er hat sich durch ja auch Unbelehrbarkeit in eine wie ich finde unmögliche Situation hineinmanövriert. Er lebt vielleicht in seiner eigenen Welt. Aber das liegt jetzt hinter uns. Wir sollten jetzt den Blick nach vorne richten und uns überlegen, welche Person dauerhaft die richtige Person ist, um das Bundesamt zu führen. Auch hier hat Herr Seehofer ja bislang wieder nur eine vorläufige Entscheidung getroffen und den bisherigen Vizepräsidenten Thomas Haldenwang die Leitung des Bundesamtes vorläufig anvertraut, bis endgültig über die Personalfrage entschieden worden ist. Auch hier wird wieder einmal nichts entschieden, wo es dringlich wäre, eine Entscheidung zu fällen.

Frage: Aber ich glaube, wir müssen noch kurz bei Herrn Maaßen bleiben. Sie sind Herrn Maaßen ja das eine oder andere Mal selbst begegnet im Parlamentarischen Kontrollgremium, in dem Sie ja sitzen. Wie haben Sie ihn da kennengelernt? Haben Sie so eine Seite von ihm dort schon bemerkt?

Thomae: Herr Maaßen hat es zuweilen geliebt durch Zuspitzungen und Polarisierungen zu provozieren. Das ist ihm bisweilen auch gelungen. Er war sicherlich auch ein fähiger Beamter, da will ich ihm gar nichts wegtun. Aber er ist nicht davor zurückgeschreckt, bisweilen auch sehr stark zu provozieren.

Frage: Zeigt dieser ganze Fall denn auch, dass die Geheimdienste bei uns in Deutschland viel zu wenig kontrolliert werden?

Thomae: Geheimdienstkontrolle ist immer ein ganz schweres Geschäft, das liegt schon in der Natur der Tätigkeit eines Geheimdienstes. Es ist auch für ein Parlamentarisches Kontrollgremium kein Einfaches, sich einen umfassenden, einen tiefen Einblick in diese Dienste zu verschaffen, die ja weit verzweigt sind und die einen großen Apparat im In- und Ausland führen müssen. Das ist schwierig. Ich selbst bin ja erst seit dieser Wahlperiode Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, habe mehrfach auch schon Dienste besucht, sitze im Parlamentarischen Kontrollgremium auch mit den Präsidenten der Dienste zusammen. Aber auch da muss man mühsam, Steinchen für Steinchen, Mosaik für Mosaik, ein Gesamtbild sich bilden. Man kann ja niemanden fragen, der früher mal in diesem Gremium gewesen ist, weil es sich ja um geheime Informationen handelt. Das ist mühsam, das ist schwierig, das spüre ich am eigenen Leib, aber wir alle sind natürlich sehr, sehr interessiert daran, uns ein solches Bild zu verschaffen und eine effektive Kontrolle der Geheimdienste zu gewährleisten.

Frage: Ja, aber Herr Thomae, bleibt da nicht ein bisschen ein schaler Nachgeschmack? Wie haben dieses Bundesamt für Verfassungsschutz, eine Behörde, von der viele Bundesbürger glauben, sie ist sehr, sehr wichtig für die Sicherheit in unserem Staat. Und jetzt erfahren wir übers Wochenende, beziehungsweise heute, von einer solchen Rede, in der der Chef dieser Behörde solche, viele würden sagen, abstrusen Theorien äußert. Da muss ja die Frage bleiben, warum ist das nicht schon früher aufgefallen?

Thomae: Deswegen werden wir ja auch im Parlamentarischen Kontrollgremium, und das ist ja mittlerweile auch bekannt, da plaudere ich kein Geheimnis aus, uns genau mit dieser Thematik beschäftigen und noch einmal zu Gemüte führen, was da geschehen ist. Wir werden Auskunft verlangen von den Vertretern des Innenministeriums, das wir genau diese Themen aufhellen und ausleuchten.

Frage: Finden Sie es denn richtig, dass er jetzt, dass Hans-Georg Maaßen jetzt in den einstweiligen Ruhestand geht? Oder hätte er richtig entlassen werden sollen?

Thomae: Das ist eine Entscheidung, die das Ministerium selbst treffen muss, das ist auch der übliche Weg einen politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Ob es zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht wieder eine Verwendung für Herrn Maaßen geben kann, ist eine Aussage, die ich jetzt gar nicht treffen kann. Für den Augenblick, denke ich, ist es richtig, diesen Weg zu wählen, ihn in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.

Frage: Wollte er diese Art des Karriereendes? Hat er das quasi selbst provoziert?

Thomae: Wenn man das Redemanuskript sich zu Gemüte führt, von der Rede, die Herr Maaßen in Warschau am 18. Oktober gehalten hat, dann gewinnt man den Eindruck, als wollte er das Ende selbst herbeiführen und den Rückweg sozusagen abschneiden und seine Weiterverwendung fast ungenießbar machen.

Frage: Herr Thomae, wie würden Sie reagieren, wenn Sie Hans-Georg Maaßen demnächst als Bundestagsabgeordneten, als Kollegen begrüßen könnten?

Thomae: Ich hoffe, dass das nicht geschieht.

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