Parl. Geschäftsführer
Sprecher für Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften

Haushaltsausschuss

Dr. Stefan Ruppert
Pressemitteilung

RUPPERT-Interview: Jede Stimme muss gleich viel wert sein

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Stefan Ruppert gab dem „Deutschlandfunk“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Stefan Heinlein:

Frage: Das Treffen dieser Fraktionsvorsitzenden wurde sehr kurzfristig anberaumt. Hat sich denn der spontane Termin gelohnt aus Ihrer Sicht, ist man jetzt weiter beim Dauerthema Wahlrechtsreform?

Ruppert: Ja, es ist schon ein wenig frustrierend, dass man immer solche High-Noon-Situationen braucht oder zu brauchen scheint. Seit 2013 hat Herr Schäuble gebeten, dass wir einen Reformvorschlag vorlegen und er hat dann erkennen müssen, dass leider bei der CDU und der CSU und der SPD sich nichts bewegt und hat dann noch mal Druck gemacht und gesagt, bis Ende Januar muss ein Vorschlag her und dann haben sich zumindest einmal jetzt seine großkoalitionären Fraktionsspitzen bemüßigt gefühlt, ein Treffen zu akzeptieren.

Frage: Und was kam dabei heraus? Sie waren nicht mit dabei, sind aber gebrieft über die Ergebnisse. War das nur eine Alibi-Veranstaltung? Man hat geredet, aber man hat keine Ergebnisse.

Ruppert: Na, ich merke schon, dass, sagen wir mal, der publizistische Druck auf die CSU, die SPD und die CDU entsteht, auch Wirkung zeigt. Man hatte dort gehofft, dass man sozusagen das Gewitter vorüberziehen lassen kann und dann erstaunt sein darf, wenn der Bundestag 800, 830, 850 Mitglieder 2021 hat und die Reaktionen der eigenen Wähler und der Bürger zeigen jetzt, dass man das der Großen Koalition nicht durchgehen lassen will. Und so entsteht jetzt auf der Zielgeraden so eine Art hektische Betriebsamkeit und ich würde mir wünschen, dass die zu einem Kompromiss führt, weil wir müssen zeigen: Der Deutsche Bundestag muss arbeitsfähig, kleiner und damit auch kostengünstiger werden.

Frage: Haben Sie den Eindruck, dass diese hektische Betriebsamkeit tatsächlich Union und SPD Beine macht, dass man jetzt in den kommenden Tagen, denn so viel Zeit hat man ja nicht mehr, vorankommt bei diesem schwierigen Thema?

Ruppert: Ich hoffe das sehr und meine Partei und meine Fraktion, die FDP, wird alles dazu tun, wir sind auch kompromissbereit. Wir sind ja gemeinsam mit Linken und Grünen die Einzigen, die bisher überhaupt einen Vorschlag ins parlamentarische Verfahren eingebracht haben. Vonseiten der CDU/CSU und der SPD liegen publizistische Vorschläge vor, auf die man sich aber in der Großen Koalition nicht hat einigen können und deswegen hoffe ich schon, dass wir zu einem Kompromiss kommen und dabei muss gelten: Jede Stimme ist gleich viel wert.

Frage: Wir reden über das Thema Wahlrechtsreform und Sie haben gesagt, Sie sind durchaus kompromissbereit mit Blick auf Union und SPD, an welcher Stelle sind Sie denn kompromissbereit?

Ruppert: Ja, es ist relativ kompliziert die Materie. Man muss auf jeden Fall die Zahl der Wahlkreise reduzieren. Und wir sind der Auffassung, jeder muss zum Schrumpfen beitragen. Auch die FDP hätte natürlich bei gleichem Wahlergebnisse weniger Abgeordnete. Bei uns, nach unserem Vorschlag, würden wir etwa von 80 auf 71 Abgeordnete schrumpfen und wir finden, jeder muss einen solchen proportionalen Beitrag dazu leisten. Jede Stimme muss gleich viel wert sein und es darf nicht einer bevorzugt werden und der andere nicht.

Frage: Nun ist es für Ihre Partei, die ja in den vergangenen Wahlen, auch 2017, keinen einzigen Wahlkreis gewonnen haben, ein wenig wohlfeil, wenn Sie jetzt sagen, wir reduzieren die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 250. Die CSU dagegen in Bayern ist strikt dagegen, denn sie gewinnt traditionell alle Wahlkreise im Freistaat.

Ruppert: Das ist richtig und deswegen will sie sich gar nicht bewegen. Sie hat auch bisher keinen Vorschlag ins parlamentarische Verfahren eingebracht. Ich sage auch nicht, dass geringfügig größere Wahlkreise per se gut sind. Aber ohne sie, eine Reduzierung der Wahlkreise, gibt es eben keine Reduzierung des Bundestages und deswegen müssen wir uns dieser Realität stellen. Das haben alle Experten erkannt, das hat Bundestagspräsident Schäuble, selbst CDU, auch erkannt. Und insofern muss sich die CSU endlich bewegen.

Frage: Wie wichtig ist denn aus Ihrer Sicht, aus Sicht Ihrer Partei, der FDP, das Direktmandat, also die Wahlkreise, für das Funktionieren von Politik, für die Bürgernähe der Politiker und Parteien?

Ruppert: Ich finde, wir haben ein bewährtes Wahlrecht mit der Erststimme und der Zweitstimme, deswegen wollen wir ja auch im System bleiben. Wenn Sie allerdings die Bürger fragen, bei einem normalen Bundestagsabgeordneten, kennen sie Ihren Wahlkreisabgeordneten, dann ist es genauso wahrscheinlich, dass sie den von der FDP oder den von der CDU/CSU oder von der SPD kennen. Es gibt also kein Zwei-Klassen Abgeordnetensystem. Alle Abgeordneten sind vor der Verfassung gleich. Ich als Liberaler muss fünf Wahlkreise betreuen und ein Kollege von der CDU/CSU oft nur einen Wahlkreis und ich finde, dass diese Mischung ist durchaus in Ordnung, ich verstehe auch die Ängste der Kollegen, dort sozusagen einer Reform zum Opfer zu fallen. Aber wir müssen im Ergebnis etwas erreichen. Der Bundestag ist viel zu groß, wenig arbeitsfähig dadurch und auch zu teuer.

Frage: Können Sie in einer Minute erklären, warum es denn bei diesem personalisierten Verhältniswahlrecht bleiben muss und man nicht vielleicht den großen Reformschritt wagt, also reines Mehrheitswahlrecht wie in Großbritannien oder ein reines Verhältniswahlrecht?

Ruppert: Ja, das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Rechtsprechung, auch jetzt jüngst wieder in den Jahren 2011/12, ja sehr enge Grenzen für verfassungsgemäße Wahlsysteme in Deutschland gezogen. Man kann das kritisieren. Ich bin auch nicht sicher, ob das, was wir jetzt in Großbritannien erlebt haben mit dem Mehrheitswahlrecht, wirklich der Weisheit letzter Schluss ist ...

Frage: Aber stabile Mehrheiten.

Ruppert: Es gibt stabile Mehrheiten, aber eine Minderheit kann sozusagen über die Mehrheit regieren, auch zum Teil sehr kleine Minderheiten. Und insofern finde ich, Deutschland hat politische Stabilität gehabt. Wir sind aus der größten Katastrophe unserer Geschichte mit koalitionären Strukturen gut hervorgekommen und auch deswegen bin ich ein Befürworter des Zweistimmen-Wahlrechts.

Frage: Dennoch, Herr Ruppert, die Suche nach einer Reform des Wahlrechts: Ist das jetzt auch eine Art Lackmustest für die Reformfähigkeit der parlamentarischen Demokratie?

Ruppert: Ich finde schon. Wir müssen beweisen, dass wir auch in eigenen Angelegenheiten sparen können und selbst reduzieren. Und deswegen frustriert es mich so ungemein, dass die CDU/CSU und die SPD hoffen, dass das Gewitter vorüberzieht und nichts passiert.

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