Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Gastbeitrag: Corona und EU: Hilfe ohne Schulden

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff schrieb für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Dienstagsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Die deutsch-französische „Initiative“ zur wirtschaftlichen Erholung Europas nach der Corona-Krise, die Emmanuel Macron und Angela Merkel vergangene Woche vorgestellt haben, wurde von manchen als Meilenstein bezeichnet, von anderen als direkter Weg zu Eurobonds sofort scharf kritisiert. Beides ist falsch. Die Initiative ist weder das eine noch das andere, sondern nicht mehr als ein Aufguss schon abgelehnter Ideen der EU-Kommission, ergänzt um einige neue Vorschläge von Macron. Manche seiner Ideen sind sehr gut, aber die im Zentrum der Aufmerksamkeit stehenden Finanzvorschläge werden sich so nicht durchsetzen. Und das ist gut so.

Um das zu verstehen, muss man raus aus dem pompösen Illusionstheater einer gemeinsamen Pressekonferenz der Bundeskanzlerin und des Präsidenten und rein in eine gesamteuropäische Betrachtung. Dann stellt man fest, dass die „Initiative“ eben nur das ist: Eine Initiative, ein Vorschlag, eine Idee, Umsetzung unklar. Neu ist, dass das aus gutem Grund seit langem festgeschriebene Verschuldungsverbot für die EU durchbrochen werden soll. Die EU ist anders als Kommunen, Länder oder der Bund frei von Schulden. Zwar hat die Kommission auch in der Vergangenheit schon mal Geld an den Märkten aufgenommen, sie hat es aber als Darlehen weitergereicht, so dass es bilanziell nie zu einer Verschuldung des EU-Haushalts gekommen ist. Die Idee von „Merkel-Macron“ bricht damit. Die beiden wollen, dass die 500 Milliarden Euro als Geldgeschenke weitergegeben werden.

Aus Spanien und Italien kam umgehend Lob und Anerkennung für die Initiative, die endlich europäische Solidarität zeige. Von einem großen europäischen Moment der Bundeskanzlerin war die Rede, einer 180-Grad-Kehrtwende. Das zeigt, dass die Pressekonferenz große Erwartungen geweckt hat. Aber können diese auch erfüllt werden?

Merkel und Macron verweisen auf die Rechte der nationalen Parlamente, die dieser Kehrtwende zustimmen müssten. Aus den Niederlanden, Schweden, Österreich und Dänemark wurde noch am selben Abend Ablehnung signalisiert. Geldgeschenke in Höhe von 500 Milliarden Euro erhöhen die Haushaltsrisiken für alle EU-Mitglieder, ohne dass irgendjemand kontrolliert, ob die Mittel auch sinnvoll und wirksam eingesetzt werden. Das sieht man in Wien, Den Haag und Kopenhagen als Tabubruch. Die Bedenken dieser und weiterer Mitgliedstaaten sind verständlich.

So richtig finanzielle Hilfe für EU-Mitglieder in Corona-Zeiten ist, so wenig überzeugt die Art und Weise, wie die Initiative diese Hilfe konstruiert. Dass die Geldgeschenke auf ein Bekenntnis „zu solider Wirtschaftspolitik gestützt“ werden sollen, kann nicht kaschieren, dass es keinerlei Bedingungen für die Überweisungen gibt, die ein Versickern verhindern könnten. Eurobonds werden so zwar nicht geschaffen, da die Rückzahlung der 500 Milliarden Euro nicht gesamtschuldnerisch, sondern nach den Anteilen aller Länder am EU-Haushalt erfolgen soll, doch auch wenn man so helfen will, müssen zuerst einige Fragen präzise geklärt werden: Wer genau soll die Mittel bekommen? Manche Länder wurden härter von der Krise getroffen als andere. Unter welchen Bedingungen und wofür sollen sie eingesetzt werden? Sollen die Mittel Haushaltslöcher stopfen oder Innovationskraft, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit stärken?

„Merkel-Macron“ soll über den EU-Haushalt laufen, heißt es. Fakt ist, dass es wegen der Trödelei der nationalen Regierungen bei der Aufstellung der mittelfristigen Finanzplanung für 2021 bis 2027 noch gar keinen Haushalt für die EU 2021 gibt. Auch hier also mehr Illusionstheater als klarer Plan. Müssen es wirklich 500 Milliarden Euro sein? Wie kommen Merkel und Macron auf diese Summe? Kann es bei dem Vorschlag bleiben, das Geld zu verschenken?

Aus Sicht der Freien Demokraten wären rückzahlbare Darlehen der bessere Weg. Europa sollte insgesamt mehr auf die Europäische Investitionsbank (EIB) setzen. Sie ist die weltweit größte Investitionsbank und kann zu hervorragenden Konditionen frisches Geld an den Weltmärkten aufnehmen, das als Kredite an die Mitgliedstaaten ausgereicht wird. Die EIB verbindet Rechtssicherheit zudem mit Geschwindigkeit, da sie nicht langwierige Haushaltsberatungen abwarten muss, sondern als Bank ständig aktiv ist. Es ist richtig, dass die Mitgliedstaaten der EU einander in der Corona-Krise helfen wollen, aber diese Hilfe muss wirtschaftlich nachhaltig wirken. Mit bedingungslosen Geldgeschenken wird das nicht gehen, sondern nur mit zielgerichteten Krediten und guter Wirtschaftspolitik.

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