Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Die deutsche Außenpolitik ist in einem miserablen Zustand

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „B.Z. am Sonntag“ (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Ulrike Ruppel:

Frage: Herr Lambsdorff, wohin steuert Russland nach Putins jüngstem Coup?

Lambsdorff: Wladimir Putin will Machthaber auf Lebenszeit bleiben. Dafür macht er das. Das kann einen Demokraten nicht freuen und ist keine gute Nachricht für Russland, das dringend Reformen braucht, politische und wirtschaftliche. Die soziale Unzufriedenheit ist groß. Und wenn die Welt Ernst macht mit der Energiewende, ist es mit Russlands Geschäftsmodell vorbei, das auf dem Export von Gas und Öl beruht.

Frage: Welche Perspektive sehen Sie?

Lambsdorff: Die Menschen in Russland sind gut ausgebildet, aber es fehlt die Umsetzung in industrielle Produkte. Oder fällt Ihnen ein russisches Produkt ein außer dem Lada? Um eine Wirtschaft nach vorne zu bringen, braucht es freien Wettbewerb, unabhängige Gerichte, eine verlässliche Eigentumsgarantie. Das gibt es in Russland nicht. Putins Russland ist ein Koloss auf tönernen Füßen.

Frage: Ist auch Nord Stream 2 ein Putin-Coup?

Lambsdorff: Natürlich. Nord Stream 2 war nie ein rein wirtschaftliches Projekt, sondern eine Idee der russischen Regierung, um die Ukraine zu schwächen. Die meisten unserer EU-Partner lehnen es ab, allen voran Polen und Balten, sogar die Skandinavier sind sauer auf uns. Für Deutschland ist das ein außenpolitisches Debakel. Eine Betriebsgenehmigung für Nord Stream 2 darf es nur geben, wenn die entgangenen Einnahmen der Ukraine ausgeglichen werden, entweder von Russland oder vom Westen. Europa darf nicht zulassen, dass die Ukraine wirtschaftlich zusammenbricht.

Frage: Stichwort Iran: Was ist Ihre vorläufige Bilanz der jüngsten Krise?

Lambsdorff: Die Tötung von General Soleimani war das Ergebnis eines schweren politischen Fehlers des Irans. Ein ganzes Jahr lang haben die USA auf keine Provokation reagiert, weder auf den Beschuss von Öl-Tankern noch auf die Angriffe auf US-Militärbasen im Irak. Aber der Sturm auf die US-Botschaft in Bagdad durch vom Iran gesteuerte schiitische Milizen ging zu weit. Auch jetzt halten sich die Amerikaner sehr zurück. Keine Seite hat Interesse an einem Krieg. Ich glaube nicht, dass das Ganze explodieren wird. Unterm Strich hat der Iran, eines der schlimmsten Terror-Regimes der Welt, einen schweren Dämpfer erhalten.

Frage: Was muss Europa jetzt tun?

Lambsdorff: Wir haben wenig Einfluss in diesem Grenzbereich zu einer militärischen Auseinandersetzung, die EU ist keine Militärmacht. Wir müssen aber versuchen, dass Atomabkommen zu retten und darauf drängen, dass sich der Iran weiter an seine Verpflichtungen hält. Ich halte es für den besten Weg zu dem Ziel, das Europa, die USA, China und Russland eint: Der Iran darf niemals die Atombombe bekommen!

Frage: Macht unser Außenminister einen guten Job?

Lambsdorff: Heiko Maas ist viel unterwegs auf Instagram und Twitter, aber Substanz ist da wenig. Das war auch in früheren Krisen so. Im Ringen um den INF-Vertrag (Abrüstung bei Mittelstreckenraketen, die Red.) ist er spät aufgewacht. Nord Stream 2 hat uns in Europa nahezu isoliert. Die deutsche Außenpolitik ist in einem miserablen Zustand, was auch daran liegt, dass die Kanzlerin international als Auslaufmodell gilt und die Verteidigungsministerin immer wieder unabgestimmte Vorschläge macht. Und die SPD macht es Heiko Maas auch nicht leicht.

Frage: Warum?

Lambsdorff: Selbst wenn Herr Maas mal etwas Richtiges sagt, wie zum Kampf gegen die Terroristen vom IS, wird er von Fraktionschef Rolf Mützenich zurückgepfiffen. Die SPD ist offenbar schon auf dem Weg in die Opposition und bezieht Positionen, die mit verantwortungsvoller Außenpolitik nichts mehr zu tun haben. Dazu gehört die Forderung nach Abzug der Bundeswehr aus der Irak-Mission. Das ist falsch. Die Bundeswehr kann vom sicheren Jordanien aus Iraks Sicherheitskräfte sehr gut weiter ausbilden. Wir müssen den Kampf gegen den IS weiterführen.

Frage: Wie gefährlich ist die Lage im Irak?

Lambsdorff: Der Irak liegt im Dreieck zwischen Türkei, Iran und Saudi-Arabien, die dort allesamt Interessen verfolgen. Wenn er zusammenbricht, haben wir einen großen Krieg mit vielen Flüchtlingen. Und wer heute noch glaubt, das geht uns nichts an, möge sich an 2015 erinnern.

Frage: Am Sonntag findet in Berlin ein Gipfel zur Befriedung Libyens u.a. mit Putin und Erdogan statt.

Lambsdorff: Als FDP begrüßen wir die Konferenz und drücken der Regierung die Daumen. Libyen liegt direkt vor unserer Haustür, es ist ein Katzensprung nach Europa. Wenn es gelingt, das Land zu stabilisieren, hört das Schlepperwesen vielleicht auf, mitsamt der fürchterlichen Lager, in denen Migranten misshandelt und gefoltert werden, bevor sie sich auf dem Mittelmeer in höchste Gefahr begeben.

Frage: Fridays for Future wollte einen Siemens-Deal mit einem australischen Energieunternehmen verhindern. Bedauern Sie, dass es misslang?

Lambsdorff: Siemens kann den Vertrag für eine Lieferung an ein völlig legales Projekt nicht einfach so kündigen. Das würde den Konzern schwer beschädigen. Meine Sorge ist, dass solche Kampagnen dazu führen, dass unsere globalen Unternehmen ihre Sitze ins Ausland verlegen und uns hier in Deutschland Arbeitsplätze und Steuereinnahmen verloren gehen. Klimaschutz ist wichtig. Aber den Rahmen müssen Gesetze schaffen.

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