Christian Lindner
Pressemitteilung

LINDNER-Gastbeitrag: Wie wir besser wachsen

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner schrieb für das „Handelsblatt“ (Donnerstagsausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

In der Wandelhalle des Schweizer Parlaments symbolisieren Deckengemälde die wichtigsten Staatsziele. Neben Allegorien für Wahrheit und Gerechtigkeit ist auch ein Füllhorn zu sehen, das für Wohlstand steht. In den rund 120 Jahren seit Entstehung dieses Bildes ist die Schweiz diesem Ziel sehr nahegekommen. Aus dem armen Agrarland ist ein reiches Land geworden, das seinen Bürgern ein hohes Maß an Freiheit und Sicherheit in Wohlstand garantiert, erarbeitet durch ein stetiges Wachstum und kluge Investitionen.

Wohlstand als Staatsziel, ausgedrückt durch ein Deckenbild im Berliner Reichstagsgebäude – man kann sich leicht ausmalen, welche Debatten wir hierzulande darüber führen würden. Wachstum ist ein Begriff, der in Deutschland zunehmend auf Skepsis und Kritik trifft. Dabei hat die Bundesrepublik ihre beiden größten Bewährungsphasen nur dank einer wachstumsorientierten Politik erfolgreich bestanden: den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkriegs und die Wiedervereinigung nach dem Ende der DDR.

Wir werden auch die teils dramatischen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie nur mit Arbeit und Wachstum meistern können. Man fragt sich, warum gerade in Deutschland in manchen Kreisen Wachstums- und Wohlstandsskepsis verbreitet sind. Die Große Koalition trägt jedenfalls durch ihre Politik zu dieser Skepsis bei: Subventionen, Steuern, Sonderregeln, Verbote und Verordnungen.

In den Ohren vieler Menschen, die in Schwellen- und Entwicklungsländern leben, muss diese Wachstumsskepsis wie Hohn klingen. Sie arbeiten jeden Tag hart und wissen genau, dass nur durch Wachstum Wohlstand entsteht, der ihren Kindern bessere Bildungschancen, soziale Absicherung und eine gute gesundheitliche Versorgung bietet. Die Corona-Pandemie wirkt sich hier besonders gravierend aus. Wachstumseinbrüche werfen diese Länder im Kampf gegen Armut, Klimawandel und Krankheiten deutlich zurück.

Aber auch bei uns steigen die Arbeitslosenzahlen. Und sie werden aller Voraussicht nach weiter steigen. Viele Selbstständige, Mittelständler und Angestellte in Gastronomie, Einzelhandel, Kunst und Kultur schlafen schlecht, weil sie um ihre berufliche Existenz fürchten. Hunderttausenden droht die Insolvenz oder der Jobverlust. Deshalb brauchen wir jetzt eine politische Vorfahrtsregel für alles, was Beschäftigung sichert oder ermöglicht. Sozial ist, was Arbeit und Wachstum schafft.

Jedes Gesetz, das der Deutsche Bundestag in den nächsten Monaten verabschiedet, muss wachstums- und beschäftigungsfreundlich sein. Staatliche Ausgaben müssen sich auf Investitionen in die Zukunft vor allem bei Bildung, Digitalisierung, Forschung und Infrastruktur konzentrieren. Bürokratie muss entschlackt, Genehmigungsverfahren müssen vereinfacht und beschleunigt werden. Zoll- und Handelsschranken müssen weiter abgebaut werden.

Corona hat gezeigt, dass die Globalisierung nicht Teil des Problems, sondern der Lösung ist. So wichtig es ist, bei Material und Medikamenten vorzusorgen und Kapazitäten aufzubauen, Abschottung und Autarkie würden unseren Wohlstand zusätzlich gefährden und uns verletzlicher machen. Als Exportnation brauchen wir offene Grenzen für Menschen, Güter, Ideen und Dienstleistungen.

Es geht dabei nicht um Wachstum um jeden Preis – Qualität, nicht Quantität ist gefragt. Ohne Wachstum hätten wir die Bitterfelder Giftseen nicht trockenlegen und renaturieren können, ohne Wachstum hätten wir unsere gute medizinische Versorgung nicht aufbauen können, ohne Wachstum könnten wir keine klimafreundlichen Umwelttechnologien wie beim Wasserstoff entwickeln.

Wir brauchen Innovationen, die das Wachstum vom Ressourcenverbrauch trennen. Da muss Deutschland Vorreiter werden. Denn in einer stagnierenden Gesellschaft ist individueller Fortschritt nur im Verteilungskampf möglich, weil es dort um Nullsummenspiele geht. Dagegen hat in der Wachstumsgesellschaft jeder die Chance auf Aufstieg und Wohlstand.

Wir haben uns an Verteilungsdebatten gewöhnt, weil Verteilungsmasse stets vorhanden zu sein schien. Das könnte sich als Illusion erweisen. Die Einführung der Grundrente ist eine milliardenteure Ausgabe, die die nächsten Generationen zusätzlich belastet. Die Senkung der Mehrwertsteuer für ein halbes Jahr schafft Bürokratie und wirkt nicht langfristig. Beide Maßnahmen ersetzen keine Wachstumsreformen. Auch wenn Finanzminister Scholz so tut: Der Bundeshaushalt ist kein Füllhorn. Die Schweizer wussten, dass vor dem Verteilen das Erwirtschaften kommt. Daher, lasst uns wachsen.

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