Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Trump gießt Öl ins Feuer

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab „saarbruecker-zeitung.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Stefan Vetter:

Frage: Der US-Präsident spricht von „Terrorismus“ auf Amerikas Straßen. Wie bewerten Sie die Lage?

Lambsdorff: Wir kennen brutale Polizeieinsätze gegen Afroamerikaner mit tödlichen Folgen schon aus der Vergangenheit. Auch Unruhen gab es immer wieder. Ich finde die Proteste mehr als verständlich, denn Rassismus ist in den USA leider noch immer sehr präsent. Neu ist aber, dass jetzt radikale Gruppen jeder Couleur die Proteste vereinnahmen und die Gewalt gezielt verstärken. Die Polarisierung in den USA wird damit noch stärker, zumal auch der US-Präsident weiter Öl ins Feuer gießt.

Frage: Der US-Präsident will notfalls das Militär in Marsch setzen. Ein typischer Trump?

Lambsdorff: Ja. Trump bezeichnet demokratische Gouverneure und Bürgermeister als Schlappschwänze, die es nicht schafften, der Gewalt Herr zu werden. Die Rechtslage erlaubt übrigens den Militäreinsatz. Nach dem Aufstandsgesetz von 1807 bedarf es dazu nicht der Zustimmung einzelner Bundesstaaten. Sollte Trump aber wirklich davon Gebrauch machen, ist die weitere Eskalation der Lage programmiert. Der Präsident könnte sich dann als starker Mann präsentieren. Seine Anhänger würden das schätzen.

Frage: Welche Rolle spielt die Corona-Krise in der aktuellen Situation?

Lambsdorff: Erstaunlicherweise so gut wie keine, wenn man einmal beiseitelässt, dass Trump die Corona-Krise für seinen Wahlkampf nutzt, indem er demokratisch regierte Bundesstaaten auch im Zusammenhang mit dem Virus extrem abschätzig behandelt.

Frage: Was könnte zur Deeskalation beitragen?

Lambsdorff: Recht, Fairness und Mitmenschlichkeit, darauf käme es jetzt an. Aber das ist das Gegenteil, von dem, was Trump tut und ausstrahlt. Respekt vor dem Recht, fairer Umgang miteinander und einfach menschlich aufeinander zuzugehen – so hat es George Bush der Ältere 1992 geschafft, seinerzeit die schrecklichen Ausschreitungen nach der Misshandlung von Rodney King zu beenden. Donald Trump macht es anders, leider.

Frage: Kann eine Organisation wie die Atlantik-Brücke in dieser Situation irgendetwas Konstruktives ausrichten?

Lambsdorff: Wir dürfen falsche Vergleiche nicht zulassen. Manche ziehen Parallelen zum chinesischen Verhalten gegenüber Hongkong. Dem muss man entschlossen entgegentreten. Die USA sind ein freies Land. CNN sendet Interviews mit Polizeipräsidenten, die Trump nahe legen, die Klappe zu halten. Wenn man das vergleicht mit der Situation in China, der Unterdrückung religiöser Minderheiten und der Hongkong-Proteste, dann liegen da Welten dazwischen.

Frage: Trotzdem scheint es so, als würden sich Europa und die USA auch durch die jüngsten Ereignisse immer weiter entfremden.

Lambsdorff: Da entgegne ich: Bitte genau hinschauen. Es gibt in vielen amerikanischen Städten Polizisten, die sich mit den friedlichen Demonstranten solidarisch erklären. Der Mord an George Floyd empört Menschen in den USA und in Europa gleichermaßen. So unähnlich sind wir uns nicht. Es ist ja auch nicht so, dass es in Europa keine gewalttätigen Proteste gäbe. Man denke nur an die Gelbwesten in Frankreich. Auch Deutschland hat keinen Grund, mit erhobenem Zeigefinger herumzulaufen. Erinnert sei an den Mordfall Walter Lübcke gestern genau vor einem Jahr. Die USA sind ein enger Partner, der durch eine schwierige Phase geht.

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