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Frauengesundheit im Fokus

Der Unterschied ist größer als ein Chromosom. In der gesundheitlichen Versorgung gibt es enorme Differenzen zwischen den Geschlechtern.

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Christine Aschenberg-Dugnus im Gespräch mit den Wissenschaftlerinnen

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Christine Aschenberg-Dugnus im Gespräch mit den Wissenschaftlerinnen.
Fotos: Dennis Williamson

Politikerinnen und Wissenschaftlerinnen aus Forschung und Praxis fanden sich in der Hörsaalruine der Charité zusammen, um über die gleichberechtigte Gesundheitsversorgung von Frauen zu debattieren.

Christine Aschenberg-Dugnus rief diese Auftaktveranstaltung zur Reihe „Frauengesundheit im Fokus“ ins Leben, um die geschlechtersensible Gesundheitsversorgung auf die politische Agenda zu setzen. Krankheitssymptome variieren bei ein- und derselben Krankheit, sind aber nicht immer alle bekannt. Das, so führte Aschenberg-Dugnus aus, führe auch oftmals zu verzögerten Diagnosen und damit zu inadäquater Prävention und verfehlter Versorgung, beispielsweise bei einem Herzinfarkt. Zu sehr überwiege noch der „androzentrische Ansatz“, der männlich geprägte Ansatz in der Medizin.

„Der Durchschnittsmensch war lange Zeit ein Mann“

„Der Durchschnittsmensch war lange Zeit ein Mann“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion. So seien in der Forschung die Schwerpunkte zwischen den Geschlechtern nicht ausgewogen verteilt. „Es gibt fünfmal mehr Studien zu erektiler Dysfunktion als zu PMS“, verdeutlichte Aschenberg-Dugnus den gender bias an einem Beispiel. „Dabei leiden nur 19 Prozent der Männer an einer Dysfunktion, während 90 Prozent aller Frauen von PMS betroffen sind.“ Dem stimmte die Bundesforschungsministerin, Bettina Stark-Watzinger, zu. Wie die Ärzte und Wissenschaftler seien selbst die Labormäuse über lange Zeit nur männlich gewesen.  Aber auch bei den menschlichen Probandinnen gibt es eine eklatante Datenlücke. Zu oft werden Studien nur an männlichen Körpern durchgeführt.

„Frauengesundheit braucht mehr Aufmerksamkeit und mehr Forschung“, forderte Stark-Watzinger. In der Gleichstellung von Mann und Frau habe es schon viele Fortschritte gegeben, beispielsweise im Berufsleben, in Karrierewegen, aber an der Basis – der Gesundheit – klafften noch enorme Lücken. „Wir diskutieren über Marsmission und künstliche Intelligenz, aber die Frauengesundheit steckt noch in den Kinderschuhen“, sagte sie. Frauen würden anders krank und anders gesund. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern beginne bereits ab dem Alter von etwa elf Jahren. Die Krankheit Endometriose beispielsweise, an der circa zwei Millionen Frauen leiden, sei nicht nur für die Frauen leidvoll, sondern auch ein volkswirtschaftlicher Schaden. „Mehr Wissen über Frauengesundheit, bessere Diagnose, bessere Medizin und Therapie – das alles bedeutet auch mehr Chancengerechtigkeit in einer Gesellschaft“, sagte die Ministerin.

Die Professorin Dr. Ute Seeland besetzt seit März dieses Jahres die erste Vollzeitprofessur für geschlechtersensible Medizin mit klinischer Anbindung in Magdeburg. Gemeinsam mit Dr. Christiane Wessel und Claudia Altwasser besetzte sie das rein weibliche Podium. Seeland brachte erneut die Datenlücke ins Gespräch. Ihrer Meinung nach müssten soziokulturelle Einflussfaktoren mit einbezogen werden, diese seien jedoch schwer zu operationalisieren. „Verhalten ist genauso ein Risikofaktor wie Bluthochdruck“, sagte die Professorin.

Frauenquote als Türöffner

Die stellvertretende Vorsitzende der kassenärztlichen Vereinigung Berlin, Dr. Christiane Wessel, mahnte an, die Frauengesundheit nicht nur über das Studium der nachkommenden Ärzteschaft in die Breite zu tragen. So müsse die geschlechtersensible Medizin auch in die Weiterbildung der bereits ausgebildeten Medizinerinnen und Mediziner implementiert werden – „in die Neurologie, die Urologie, die Innere“. Zudem forderte sie nicht weniger als eine Frauenquote in der Medizin. Nicht dauerhaft, aber als „Türöffner“ für gleich qualifizierte Frauen.

Die stellvertretende Vorsitzende des deutschen Frauenrats, Claudia Altwasser, forderte konkret die Umsetzung des Koalitionsvertrags. „Die Politik muss die Grundlagen schaffen“, sprach sie Aschenberg-Dugnus direkt an. Konkrete Ziele seien nötig, ebenso das notwendige Geld. Im Koalitionsvertrag ist vom „Aufbruch in eine moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik“ die Rede.

 

In der Debatte mit dem Publikum trugen die Teilnehmerinnen des Abends verschiedene frauenspezifische Anliegen vor, beispielsweise die Bereitschaft der Ärztinnen und Ärzte zur Abtreibung. Eine andere Teilnehmerin forderte den Mutterschutz für Selbstständige ein.

Christine Aschenberg-Dugnus erklärte, dass die Freien Demokraten die Anliegen hören und sich dafür einsetzen, Mehrheiten im Bundestag zu werben.

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