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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Langsames Bauen hilft der Umwelt nicht

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab „t-online“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Lisa Becke und Tim Kummert.

Frage: Herr Dürr, nun werden also die Panzer geliefert. Wie genervt waren Sie vom wochenlangen Zaudern des Bundeskanzlers?

Dürr: Ich war nicht genervt. Das war eine schwierige Entscheidung, die Bundeskanzler Scholz mit den Bündnispartnern genau abstimmen musste. Da kann nicht alles innerhalb von Stunden auf dem Basar der Öffentlichkeit ausdiskutiert und entschieden werden, das ist doch ganz klar.

Frage: Der Tonfall in der Koalition war so scharf wie nie. Der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich griff Ihre FDP-Verteidigungsexpertin Strack-Zimmermann an, diese würde "den Kanzler schwächen". Diese wiederum wehrte sich, der SPD-Politiker sei "das Sinnbild aller zentralen Verfehlungen deutscher Außenpolitik". Was ist da passiert?

Dürr: Die Debatte um die Panzer war sehr emotional, weil es um Menschenleben geht. Jetzt haben wir Klarheit – und ich bin zuversichtlich, dass nun auch wieder Ruhe einkehrt. Ein wenig Auseinandersetzung gehört dazu, aber die Tonlage muss schon stimmen.

Frage: Dass Scholz die amerikanischen Panzer zur Bedingung für die Freigabe der deutschen Leoparden gemacht haben soll, hat Berichten zufolge die USA massiv verärgert. Verprellt der Kanzler gerade die Bündnispartner?

Dürr: Die Amerikaner wollen ja nun auch Panzer liefern, das zählt im Ergebnis. Und dass wir uns im Umgang mit Putin nicht spalten lassen, haben wir erneut bewiesen. Selbstverständlich kommt es dabei auch zwischen Bündnispartnern mal zu Diskussionen.

Frage: Was sagen Sie denjenigen, die jetzt Angst vor einer Eskalation des Krieges haben?

Dürr: Dass diese Befürchtung irrational ist. Diverse Völkerrechtler sind der Ansicht, dass Putin mutwillig entscheiden könnte, wann er westliche Länder zur Kriegspartei erklärt. Davon dürfen wir uns aber nicht treiben lassen in der Unterstützung der Ukraine. Angst war noch nie ein guter Ratgeber.

Frage: Der ukrainische Präsident reagierte zunächst zögerlich. „Es geht nicht um fünf oder zehn oder fünfzehn Panzer“, sagte er nach Bekanntwerden der Panzerlieferungen. „Der Bedarf ist größer.“ Ist er undankbar?

Dürr: Nein, das denke ich nicht. Die Ukraine kämpft mit einem Löwenmut gegen den brutalen Angriff der Russen, natürlich bittet Selenskyj dabei um die größtmögliche Unterstützung. Mit der Lieferung der Panzer gehen wir aber einen weiteren Schritt in die richtige Richtung.

Frage: Es hakt aber in der Koalition. Eines Ihrer zentralen Vorhaben kommt nicht voran: Eigentlich sollten die zähen Bauprojekte im Verkehr beschleunigt werden – doch wie das ablaufen soll, darüber streitet die Koalition seit Monaten. Warum?

Dürr: Wir als Freie Demokraten sind in der Sache startklar. FDP-Verkehrsminister Volker Wissing hat dazu einen Vorschlag vorgelegt: Wir wollen den Bau aller Straßen, Schienen und Radwege enorm beschleunigen. Ich finde, die Grünen müssen sich jetzt bewegen, das sehen wir bislang zu wenig.

Frage: Die Grünen wollen prüfen, ob der Neubau von Autobahnen notwendig und umweltverträglich ist.

Dürr: Das mag ja sein, aber warum das so lange dauern muss, erschließt sich mir nicht. Andere Länder zeigen, dass das schneller geht, Dänemark zum Beispiel. Es ist kein Wert an sich, wenn etwas langsam geht. Wir wollen pragmatische Lösungen.

Frage: Wäre es nicht pragmatisch, wenn Sie erst mal eine Lösung ohne die Straßen finden – und über den Neubau von Autobahnen dann später verhandeln?

Dürr: Ich sehe in aufgeschobenen Baumaßnahmen keinen Vorteil. Es hilft doch der Umwelt nicht, wenn eine Straße besonders langsam gebaut wird.

Frage: Aber die anderen Vorhaben, die würden ja dann wenigstens zügig vorwärtsgehen.

Dürr: Ich glaube: Wir sollten lieber überall mehr Tempo machen. Ich habe den Eindruck, dass in der Vergangenheit durch das langsame Bauen der Umwelt sogar geschadet wurde. Ein Beispiel: Durch den Neubau von Straßen helfen wir der Umwelt, weil wir Staus vermeiden.

Frage: Das LNG-Terminal für Flüssiggas, das gerade im Rekordtempo in Wilhelmshaven gebaut wurde, soll das Vorbild für künftige Bauvorhaben sein.

Dürr: So ist es. Wir haben gezeigt, wie schnell das gehen kann.

Frage: Dort wurde die sogenannte Umweltverträglichkeitsprüfung ausgesetzt. Die stellt fest, wie sich ein Projekt auf die menschliche Gesundheit, den Boden und die Luft auswirken kann. Das soll künftig wegfallen?

Dürr: Da, wo es möglich ist, ja – und ansonsten muss es schneller gehen. Diese Umweltverträglichkeitsprüfung – das ist nicht nur ein langes Wort, sondern vor allem ein monströs-bürokratisches Verfahren. Man kann trotzdem Rücksicht auf die Umwelt nehmen, auch ohne die Prüfung. Das zeigen Länder wie Dänemark – an europäisches Umweltrecht gebunden sind wir alle.

Frage: Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ergab: Bei einigen Bauten diese Prüfung pauschal auszusetzen, ist nur schwer möglich.

Dürr: Ich will den einzelnen Juristen keine Bewertung geben. Ich sehe aber auch, dass manche Juristen zu diametral anderen Bewertungen kommen.

Frage: Bei dem Terminal war der öffentliche Druck auch enorm.

Dürr: Das stimmt, als Regierung muss man in einer Krise schnell gegensteuern können. Doch auch sonst machen wir Tempo: Christian Lindner hat Entlastungen von über 50 Milliarden Euro für die arbeitende Mitte der Bevölkerung auf den Weg gebracht. Wir legen nicht die Füße hoch, keine Sorge. Die FDP ist immer die Partei der Geschwindigkeit.

Frage: Das Verkehrsministerium, geführt von FDP-Minister Volker Wissing, spart aktuell zu wenig CO2 ein, obwohl sich die Bundesregierung dazu verpflichtet hat. Ist Ihnen im Zweifel die Geschwindigkeit auf Autobahnen wichtiger als das Klima?

Dürr: Ich bitte Sie! Das Gegenteil ist der Fall. Volker Wissing hat bereits mehrere Vorstöße gemacht, um die CO2-Bilanz zu verbessern, nehmen Sie nur das digitale Deutschland-Ticket oder seine Bemühungen, klimaneutrale Kraftstoffe für Autos endlich zu erlauben. Wir arbeiten intensiv daran, die Bilanz zu verbessern.

Frage: Wirkungsvoll wäre ein Tempolimit auf den Autobahnen.

Dürr: Ich glaube nicht, dass wir die Menschen in Deutschland umerziehen sollten. Ich bin stattdessen für Maßnahmen, die stärker wirken. Klimaneutrale Kraftstoffe könnten den Verkehrssektor komplett CO2-neutral machen. Und beispielsweise sollte in Deutschland eines Tages das erste Kernfusionskraftwerk gebaut werden, dort schlummern riesige Potenziale.

Frage: Lassen Sie uns am Ende noch auf die aktuelle Lage der Konjunktur blicken. An diesem Mittwoch stellt Minister Habeck den Jahreswirtschaftsbericht vor. Wie düster ist die Lage?

Dürr: Gar nicht so düster, aber wir müssen daran arbeiten, dass sie noch heller wird. Dazu braucht es zum einen mehr Flexibilität, die Menschen wollen von zu Hause aus arbeiten. Hier ist weniger Reglementierung sehr wichtig. Wir brauchen keine Homeoffice-Pflicht, sondern mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt.

Frage: Und zum anderen?

Dürr: Es gibt immer weniger Arbeitskräfte, das wächst sich zu einem echten Problem aus. Im Koalitionsvertrag haben wir beschlossen, dass eine Einwanderung in den Arbeitsmarkt stattfinden muss. Vorher wurde vor allem in die Sozialsysteme eingewandert, das wollen wir umkehren.

Frage: Sie sprechen über das Jahr 2015?

Dürr: Nicht nur in der Hochphase der Flüchtlingskrise war das so. Ich rede von den letzten 20 Jahren, in denen primär die Union an der Macht war. Die Union hat gern suggeriert, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei. Und das hat die Deutschen rasend gemacht. Denn natürlich wird viel eingewandert. Und das ist überhaupt nicht schlecht, weil wir händeringend auf Fachkräfte im Arbeitsmarkt angewiesen sind!

Frage: Aber es gibt damit bislang den falschen Umgang, um die wirtschaftliche Stabilität Deutschlands nicht zu gefährden?

Dürr: Ja. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung kam in den letzten Jahren von zehn eingewanderten Menschen gerade mal einer als Arbeitsmigrant. Neun von ihnen kamen über das Asylsystem.

Frage: Viele Menschen kamen im letzten Jahr auch aus der Ukraine.

Dürr: Dass wir unseren humanitären Verpflichtungen nachkommen, das ist doch selbstverständlich. Und diesen Menschen muss geholfen werden, weil sie vor dem Krieg fliehen. Aber wir erleben nicht nur Zuwanderung aus der Ukraine. Und wir sollten, wo auch immer wir können, die Zugänge zum Arbeitsmarkt erleichtern. Für die Menschen, die zu uns kommen – und für unser Land.

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