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Christian Dürr
Pressemitteilung

DÜRR-Interview: Der Druck auf den Sozialstaat wird größer

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab „rnz.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Gernot Heller:

Frage: Herr Dürr, der Bundesfinanzhof will noch dieses Jahr über die Rentenbesteuerung entscheiden. Gibt es bei den Alterseinkünften das Problem der Doppelbesteuerung?

Dürr: Das ist wahrscheinlich. Ich sehe das mit großer Sorge, weil es das Thema gesetzliche Rente in ein schlechtes Licht rückt. Wenn die Menschen das Gefühl haben, da greift der Staat doppelt zu, sowohl während meines Arbeitslebens, als auch später im Ruhestand, dann tut der gut daran, das Gegenteil zu belegen und auch großzügiger zu sein. Das ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz bislang schuldig geblieben. Die Idee eines Übergangs von der vor- auf die nachgelagerte Besteuerung findet meine volle Zustimmung. Aber auf dem Weg dahin muss man alles dafür tun, damit die Menschen nicht ansatzweise den Eindruck bekommen, als würde der Staat sie doppelt abkassieren.

Frage: Was fordern Sie von Scholz? Sollte er Hand an die gesetzlichen Grundlagen legen oder die Verfahrenspraxis ändern?

Dürr: Man könnte an das System noch einmal rangehen. Ich habe da einen pragmatischen Vorschlag. Man könnte den Steigerungssatz von einem Prozent, um den der Besteuerungsanteil der Rente nun Jahr für Jahr anwächst, auf 0,5 Prozent senken. Das würde den Übergangszeitraum strecken. Damit wäre sichergestellt, dass die Rentnerinnen und Rentner nicht schlechter gestellt werden. Sie hätten mehr Spielraum, weil ihre Belastung sich verringert. Aus meiner Sicht würde das mehr Gerechtigkeit bringen. Zudem könnte man so ganz praktisch vorankommen. Die These, es gebe schließlich noch den Grundfreibetrag, den man auch bei den Renteneinkünften ins Kalkül ziehen müsse, sticht nicht. Alle Argumente, die der Bundesfinanzminister ins Feld zieht, um zu belegen, es gebe keine Doppelbesteuerung, sind auf Sand gebaut. An ein paar Stellschrauben könnte man drehen, um der ganzen Sache mehr Glaubwürdigkeit zu geben. Denn die ist momentan ganz klar erschüttert.

Frage: Fürchten Sie, dass die Corona-Krise die gesetzliche Rentenversicherung in ganz massive Finanzprobleme stürzen wird?

Dürr: Diese Sorge besteht. Wenn man alle Sozialausgaben in Deutschland für 2021 zusammennimmt, so sagen es die Wirtschaftsweisen, erreichen wir eine Rekordhöhe von 926 Milliarden Euro – 80 Milliarden Euro mehr als im vergangenen Jahr. Der Druck auf den Sozialstaat wird größer. Alle Reformen, die die Große Koalition nicht gemacht oder gar zurückgedreht hat, fallen uns jetzt doppelt auf die Füße. Stattdessen wird das System mit der Grundrente auch noch zusätzlich belastet. Ja, ich habe die Sorge, dass die Sozialkassen, insbesondere auch die Rentenversicherung, jetzt doppelt belastet werden, ohne dass die Große Koalition einen Plan hat, wie man das System langfristig tragfähig halten kann.

Frage: Sollten künftige Rentenerhöhungen ausgesetzt werden?

Dürr: Ich bin nicht dafür, pauschal Rentenerhöhungen auszusetzen. Wir müssen den Menschen aber reinen Wein einschenken. Wir werden langfristig ohne eine gezielte Einwanderungsstrategie in den Arbeitsmarkt und durch mehr kapitalgedeckte Vorsorge nicht weitermachen können. Wer behauptet, man müsse hier nichts machen, schafft neue Vertrauensverluste in das System.

Frage: Sollte man etwas an der Parität von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei den Rentenbeitragszahlungen ändern, um die Wirtschaft zu entlasten?

Dürr: Jetzt einseitig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusätzlich zu belasten, davon halte ich nichts. Die haben es auch schwer in der Corona-Krise. Insgesamt müssen wir aber an das System ran. Wir brauchen mehr Kapitaldeckung in der Rentenversicherung. Vor allem aber brauchen wir mehr Wachstum in der Zukunft.

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