
BUSCHMANN-Interview: Die Bundeskanzlerin Merkel liebt es, bei schwierigen Themen abzutauchen
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann gab „Focus Online“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Margarete van Ackeren:
Frage: Am Mittwoch gibt es im Bundestag eine Premiere: Die Bundeskanzlerin kann eine Stunde lang direkt von den Abgeordneten befragt werden. Was versprechen Sie sich davon? So eine Art heißen Stuhl für die Regierungschefin?
Buschmann: Wir erwarten, dass die Bundeskanzlerin klare Auskunft darüber gibt, wie sie sich vorstellt, die Zukunft der Europäischen Union, des transatlantischen Verhältnisses, neuer Zukunftstechnologien wie der künstlichen Intelligenz oder die Bewältigung des Bamf-Skandals zu gestalten. Sollte sie sich in Allgemeinplätze flüchten, werden wir unsere Fragen dazu nutzen, sie zu mehr Klarheit zu drängen.
Frage: Erwarten Sie, dass wir dann eine Angela Merkel erleben, die im offenen Dialog ihre Politik erklärt?
Buschmann: Die Regierung schuldet dem Parlament und damit der Öffentlichkeit Transparenz über das, was sie vorhat. Man kann darüber streiten, was man für richtig und falsch hält. Aber man sollte zu seiner Position stehen. Das darf man schon von einer Regierungschefin verlangen.
Frage: Es kommt also – zumindest für kurze Zeit – mehr Schwung ins Hohe Haus? Mehr Pepp fürs Parlament?
Buschmann: Es geht nicht um Schwung oder Pepp. Niemand wird bestreiten können, dass die Menschen viele Themen umtreiben: Wie bekommen wir wieder Ordnung in die Migration? Was bedeutet die Digitalisierung für die Zukunft der Arbeit? Wie geht es weiter mit Europa? Dazu erwarten die Menschen klare Aussagen.
Frage: Haben Sie nicht 365 Tage im Jahr Gelegenheit, sich über die Arbeit der Regierung und ihrer Chefin zu informieren?
Buschmann: Die Bundeskanzlerin Merkel liebt es, bei schwierigen Themen abzutauchen. Sie schickt dann ihre Fachminister vor und wartet ab, woher der Wind weht. In der direkten Fragesituation kann sie sich nicht ohne weiteres wegducken.
Frage: Wie ist das für Sie: Empfinden Sie die FDP angesichts der oft auftrumpfenden und schrillen AfD als die zahmere, die nettere Opposition?
Buschmann: Es geht doch nicht um nett. Wir sind eine harte, aber seriöse und konstruktive Opposition. Für uns ist das Parlament keine Bühne, um Parolen und Vorurteile zu äußern. Für uns ist das Parlament der Ort von Rede und Gegenrede, Vorschlag und Gegenvorschlag. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass die übergroße Mehrheit der Menschen möchte, dass Politiker ihre Aufgabe ernst nehmen und seriös arbeiten. Daher tun wir das auch.
Frage: Machen Sie sich keine Sorgen, dass die AfD die ganze Veranstaltung kapert und am Mittwoch politische Schaukämpfe inszeniert?
Buschmann: Jeder blamiert sich so gut er kann.
Frage: Was ist es denn, was die FDP von der Kanzlerin wissen möchte, aber bisher nicht zu fragen wagte – oder zu fragen wagte und ohne Antwort blieb?
Buschmann: Welche Konsequenzen zieht Angela Merkel eigentlich aus der Bamf-Affäre ...
Frage: ... das will nun ja offenkundig auch die SPD von ihrer Koalitionspartnerin wissen ...
Buschmann: ... und wir möchten wissen: Wie sieht der Entwurf der Kanzlerin für eine EU der Zukunft aus? Wie stabilisieren wir die Währungsunion und damit die Ersparnisse der Deutschen? Wie sorgen wir dafür, dass der Freihandel in der Welt nicht zusammenbricht, von dem so viel für Deutschland abhängt? Wie beenden wir endlich die digitale Defensive, in der sich Deutschland befindet? Solche Fragen treiben uns um.
Frage: Reicht die neue Befragung, oder wünschen Sie sich weiter gehende Reformen für den Bundestag? Muss das deutsche Parlament britischer werden?
Buschmann: Die Befragung findet allein auf freiwilliger Basis statt. Das ist zu wenig. Meiner Ansicht nach benötigt das Parlament ein Recht auf eine Debatte mit der Kanzlerin vor und nach wichtigen Gipfelterminen und auch regelmäßig zu den Leitlinien der Regierungspolitik. Denn dafür trägt sie gemäß unserer Verfassung die volle Verantwortung.