Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Ein Alt-Kanzler ist niemals nur eine Privatperson

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab der „B.Z. am Sonntag“ (aktuelle Ausgabe) und „BZ.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Ulrike Ruppel:

Frage: Was bedeutet das Hin und Her um Nord Stream 2?

Lambsdorff: Da hat uns die Bundesregierung einen Scherbenhaufen in der deutschen Energie- und Europapolitik beschert. Frankreich ändert plötzlich seine Position, ohne dass Außenminister Heiko Maas das mitbekommt. Dann wird in letzter Sekunde ein Kompromiss übers Knie gebrochen, und Paris sagt jetzt ganz klar, dass die Kontrolle der Pipeline nunmehr europäisch sein wird, nicht deutsch. Deutschland hat die Kontrolle über das Projekt verloren. Wenn die Russen die Bedingungen nicht erfüllen, kann die EU-Kommission den Betrieb der Pipeline massiv erschweren.

Frage: Wer ist schuld?

Lambsdorff: Merkel und Maas. Die Kanzlerin hat bis zuletzt behauptet, Nord Stream 2 sei ein privatwirtschaftliches Projekt, obwohl es für Moskau eindeutig ein politisches Projekt ist. Und Heiko Maas hat erst die Osteuropäer und Skandinavier vor den Kopf gestoßen, die alle gegen das Projekt sind, und dann die französische Wende verschlafen. Nord Stream 2 hat uns europapolitisch komplett isoliert.

Frage: Sie sind offenbar mit Maas nicht zufrieden.

Lambsdorff: Heiko Maas macht ja auch keinen guten Job. Er hat sich viel zu spät um die Rettung des Mittelstreckenvertrags INF gekümmert. Je ein Alibi-Termin in Moskau und in Washington reichen in so einer wichtigen Frage nicht aus. Die Brexit-Vorbereitung hat er schleifen lassen. Und bei der Ausstattung unseres Auswärtigen Amts sieht es ganz düster aus. Die Verteidigung bekommt mehr Geld, das Entwicklungsministerium. Bloß das Außenressort nicht. Dabei läuft das Amt total auf der Felge, Stellen werden nicht besetzt. Das schwächt unsere Diplomatie, die wir dafür brauchen, unsere Soldaten gar nicht erst einsetzen zu müssen.

Frage: Wie gefährlich wäre das Ende des INF-Vertrags?

Lambsdorff: Mittelstreckenraketen sind Waffen, die Europa direkt bedrohen. Deshalb war der Vertrag für uns eine ganz wichtige Sicherheitsgarantie. Wir wissen seit 2014, dass die Russen den Vertrag verletzen und Raketen haben, die uns bedrohen können. Das haben die SPD-Außenminister Steinmeier und Gabriel aber einfach ignoriert.

Frage: Was können wir tun?

Lambsdorff: Wir haben noch sechs Monate Zeit, den Vertrag zu retten. Und die müssen wir nutzen, um den Russen zu sagen, dass sie zur Vertragstreue zurückkehren und diese Waffen verschrotten sollen. Wenn das nicht klappt, müssen wir eine Rüstungskontrolle vereinbaren und erreichen, dass die Raketen so stationiert werden, dass sie uns nicht bedrohen. Da ist der Außenminister wirklich gefordert.

Frage: Und Trump und Putin hören zu?

Lambsdorff: Deutschland und die EU müssen in Moskau deutlich machen, dass ein Wettrüsten das Letzte ist, was ein militärisch erstarktes, aber wirtschaftlich schwaches Russland brauchen kann. Es war der Rüstungswettlauf der 80er-Jahre, der zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt hat. Putin tut gut daran, sich an die Proteste nach der Anhebung des Rentenalters im letzten Jahr zu erinnern! Wenn sich die wirtschaftliche Lage verschärft, muss es weitere Einschnitte geben - und dann gibt es auch neue Proteste. Das ist für ihn keine gute Perspektive.

Frage: Kann Gerhard Schröder helfen?

Lambsdorff: Gerhard Schröder ist als Vermittler nicht geeignet. Das zeigt einmal mehr sein jüngstes „Spiegel“-Interview. Seine Geschäfte mit Russland bezeichnet er als Privatsache. Aber ein Altkanzler ist niemals nur Privatperson. Dann soll er auch bitte seine Privilegien abgeben, den Dienstwagen, die Räume und Mitarbeiter. Seine Äußerungen über die USA machen deutlich, dass er seinen Kompass verloren hat. Niemand ist zufrieden mit Trumps Außenpolitik. Aber die Vorstellung, unser stärkster Nato-Verbündeter stünde uns politisch ferner als Russland, ist vollkommen abwegig. In Amerika kontrollieren Medien, Parlament und Gerichte den Präsidenten. Das kann man von Russland nun wirklich nicht behaupten.

Frage: Sie waren gerade in Israel. Wie ist die Lage?

Lambsdorff: Man spürt auf Schritt und Tritt, wie angespannt die Lage ist. Dass der Iran gerade neue Mittelstreckenraketen präsentiert hat, verschärft die Lage. Teheran sagt ja ganz deutlich, dass man Israel vernichten will.

Frage: Trotzdem soll das Geschäft mit dem Iran weiter gehen. Finden Sie das legitim?

Lambsdorff: Das ist eine Entscheidung von einzelnen Unternehmen. Als Politik tun wir gut daran, das Atomabkommen mit dem Iran soweit wie möglich zu bewahren – auch wenn wir das Raketenprogramm und die aggressive Politik in der ganzen Region verurteilen. Immerhin haben wir dieses Abkommen zu Atomraketen hinbekommen. Dass die USA dies ohne Not gefährden, halte ich für falsch.

Frage: Muss Deutschland mehr tun, um Israel beizustehen?

Lambsdorff: Deutschland steht in einer besonderen Verantwortung für die Sicherheit Israels. Deshalb müssen wir uns klarer positionieren. Es kann doch nicht sein, dass die UN jedes Jahr mehr als 20 Anti-Israel-Resolutionen beschließt – und Deutschland zustimmt, zusammen mit Ländern wie Nordkorea, Kuba oder dem Iran. Die FDP will dafür sorgen, dass sich die einseitige UN-Politik gegen Israel ändert. Das heißt nicht, dass man einzelne Maßnahmen nicht mehr kritisieren darf. Aber dass Israel ständig im Fadenkreuz steht und Diktaturen davonkommen, das darf nicht sein.

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