Michael Theurer
Pressemitteilung

THEURER-Interview: Große Koalition verschläft die Themen

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer gab der „Schwäbischen Zeitung“ (Dienstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Sabine Lennartz:

Frage: Herr Theurer, wären die Chemnitzer Vorfälle auch in Horb vorstellbar, wo Sie einmal Oberbürgermeister waren?

Theurer: Im Prinzip sind solche Vorfälle leider in allen Städten in Deutschland vorstellbar. Es gab ja auch in Horb Versuche, rechtsradikale Aufmärsche zu organisieren, dem hat sich aber ein breites Bündnis der demokratischen Mehrheit entgegengestellt. Deshalb plädiere ich für den Aufstand der Anständigen, dass die breite demokratische Mehrheit ein deutliches Signal gibt gegen Rechtsextremismus, Rassenhass und Fremdenfeindlichkeit und vor allem positiv für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, die großartigen Werte unseres Grundgesetzes.

Frage: Hat Außenminister Maas recht mit seinem Appell an die Deutschen, „hoch vom Sofa“?

Theurer: In jedem Fall. Wenn die Demokraten zu Hause bleiben, kommt die Diktatur. Die lebendige Demokratie lebt davon, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht zulassen, dass extreme Kräfte die Diskussion beherrschen.

Frage: Hilft es, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen?

Theurer: Die AfD muss endlich ihr Verhältnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung klären. Wenn sich Landtagsabgeordnete am Kesseltreiben in Chemnitz beteiligen, reichen reine Lippenbekenntnisse nicht aus. Es gibt erhebliche Zweifel, ob die AfD noch auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung steht.

Frage: Wenn Sie Innenminister wären, würden Sie die AfD beobachten lassen?

Theurer: Zumindest einige Köpfe in der AfD kommen eindeutig aus dem rechtsextremen Spektrum. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz wäre in diesen Fällen gerechtfertigt.

Frage: Jetzt geht eine neue linke Sammlungsbewegung an den Start. Hat Deutschland sie nötig, um die Rechten einzugrenzen?

Theurer: Ich sehe mit einem gewissen Befremden, dass auf dem linken Rand argumentiert wird, man müsse links sein, um gegen rechts zu sein. Wir als Rechtsstaatspartei lehnen linksextremistische Gewalt wie in Hamburg genauso ab wie rechtsextremistische in Chemnitz.

Frage: Schaden die Chemnitzer Vorfälle Deutschlands Ansehen in der Welt und damit am Ende auch der deutschen Wirtschaft?

Theurer: In jedem Fall. Wenn in einer Gemeinde eine pogromartige Stimmung wie in Chemnitz herrscht, ist das denkbar schlecht für die Wirtschaft. Wir leben davon, dass wir unsere Produkte in die ganze Welt verkaufen. Dazu müssen wir weltoffen sein, sodass Kunden, aber auch Mitarbeiter aus der Welt gerne zu uns kommen.

Frage: Die Große Koalition will in Kürze ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz vorlegen. Sind Sie zufrieden?

Theurer: Nein. Die Große Koalition springt hier zu kurz. Die FDP fordert seit Ende der 1990-er Jahre ein Einwanderungsgesetz. Wir brauchen ein Gesetz, das die legale Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht, das Asylrecht sichert und einen eigenen Rechtsstatus für vorübergehenden humanitären Schutz schafft. Entscheidend ist die Überwindung des Fachkräftemangels. Es ist absolut nicht einzusehen, dass junge Menschen, die als Flüchtlinge gekommen sind, die deutsche Sprache lernen und hier einen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz haben, nicht bleiben können, gleichzeitig aber weltweit Arbeitskräfte angeworben werden. Das kann ich niemandem mehr erklären. Wir brauchen die Möglichkeit des Spurwechsels.

Frage: Mit oder ohne Begrenzung auf die, die schon da sind?

Theurer: Wir sollten den Spurwechsel an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ausrichten. Nach Schätzungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft verlieren wir 30 Milliarden Euro Wohlstandspotential pro Jahr durch den Mangel an Fachkräften. Wer in Deutschland etwa den weniger nachgefragten Beruf Koch lernt oder in einer Gießerei arbeitet, für die es am deutschen Arbeitsmarkt keine Kräfte gibt, muss hierbleiben können.

Frage: Die FDP-Fraktion ist gerade in Klausur in München. Sie wollen das Profil der FDP als Rechtsstaatspartei schärfen. Wie?

Theurer: Wir wollen das Profil sowohl als Rechtsstaatspartei als auch als Anwalt der sozialen Marktwirtschaft schärfen. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass die Innere Sicherheit gefährdet ist, kann die Antwort nur sein, die rechtsstaatlichen Institutionen zu stärken, zum Beispiel durch eine leistungsfähige Polizei und wirksame und schnelle Verfahren. Die Große Koalition verschläft gerade die Zukunftsthemen, etwa bei der Digitalisierung. Der neue Digitalisierungsrat verdient eher den Titel Ältestenrat. Und außerdem bleibt eine echte Bürgerentlastung aus. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wird gesenkt, was wir begrüßen, aber der Pflegebeitrag steigt. Wir als FDP fordern eine echte Entlastung, unter anderem die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

Frage: Grüne und FDP bieten Angela Merkel an, dem Bund die Bildungsfinanzierung zu erlauben. Weht da wieder ein Hauch von Jamaika?

Theurer: Für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland sind Innovation und Bildung der zentrale Treibstoff für die Zukunft. Wir sehen die Notwendigkeit einer besseren Bildungsfinanzierung durch den Bund. Dazu muss die Verfassung geändert werden. Dass wir mit den Grünen gemeinsam Hilfe anbieten, zeigt, dass wir keine Berührungsängste haben, wenn wir unsere Inhalte umsetzen können und es um eine echte Trendwende geht.

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