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Haushaltsausschuss

Dr. Stefan Ruppert
Pressemitteilung

RUPPERT-Gastbeitrag: Wir brauchen einen Neustart der politischen Debattenkultur

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Stefan Ruppert schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag.

Als die Kanzlerin die politische Verantwortung für die dramatischen Missstände im Bamf übernahm, wurde sie nicht von den Abgeordneten des Bundestags befragt, sondern von einer Talkshow-Moderatorin. Als die Kanzlerin ihre Erwiderung auf die vielbeachtete Rede Macrons zur Zukunft Europas gab, tat sie dies nicht im Plenum des Deutschen Bundestags, sondern im Bezahlbereich einer Sonntagszeitung.

Auch wenn es unbenommen das gute Recht von Angela Merkel ist, sich wie jeder andere Politiker auch in Interviews zu aktuellen Sachverhalten zu äußern, so birgt die Verkündung zentraler Positionen der Bundesregierung ausschließlich über die Medien eine Gefahr: Auf diese Weise wird den Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck vermittelt, dass das Parlament nicht länger der zentrale Ort der politischen Auseinandersetzung ist – und darunter leidet letztlich die politische Debattenkultur in unserem Land.

Insbesondere vor dem Hintergrund des Vertrauensverlusts in die politischen Institutionen, der seit Jahren beobachtet und beklagt wird, bedarf es neuer Lösungsansätze, um die Bedeutung des Parlaments im Bewusstsein der Menschen wieder zu stärken. Wir brauchen einen Neustart der politischen Debattenkultur im deutschen Parlamentarismus.

Dazu ist es notwendig, dass sich der Berliner Politikbetrieb radikal von ritualisierten Strukturen verabschiedet. So ließe sich beispielsweise über eine stärkere Schwerpunktsetzung bei der Themenauswahl die Tagesordnung der Sitzungswoche für die Öffentlichkeit deutlich interessanter gestalten. Denn eine Reduzierung der Tagesordnungspunkte würde im Ergebnis dazu führen, dass gewichtigere Debattengegenstände intensiver und argumentativ breiter verhandelt werden könnten.

Auch in anderen Bereichen lässt sich eine besorgniserregende Tendenz der schleichenden Entmachtung des Parlaments beobachten. So dient der bemerkenswerte Aufwuchs der Anzahl der parlamentarischen Staatssekretäre und der Bundesbeauftragten gewissermaßen als Stabilisierungsprogramm für die Koalition. Die zugrundeliegende Rechnung ist schlicht, aber effektiv: Je mehr Posten verteilt werden können, desto weniger Unzufriedene gibt es und desto einfacher wird es folglich, Mehrheiten zu organisieren. Dass dieses Instrument der Machtarithmetik jedoch kaum geeignet ist, das Vertrauen der Bürger in die politischen Institutionen zu stärken, wird dabei leider übersehen.

Wir Freien Demokraten wollen ein Parlament, das von den Bürgern wieder als der zentrale Ort der politischen Auseinandersetzung wahrgenommen wird. Eine strukturelle Reform der parlamentarischen Debattenkultur braucht jedoch die grundlegende Bereitschaft der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen, die entscheidenden politischen Themen wie den Bamf-Skandal, die Ergebnisse des G7-Gipfels oder die Zukunft Europas in einem angemessenen Rahmen im Bundestag zu debattieren. Denn nur hier kann das gemeinsame Ringen um tragfähige Lösungen zu verlässlichen Ergebnissen führen – und nur auf diese Weise kann auch das Vertrauen der Bürger in unser politisches System gestärkt werden.

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