Stellv. Fraktionsvorsitzender

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Alexander Graf Lambsdorff
Pressemitteilung

LAMBSDORFF-Interview: Schritt der USA gefährdet Sicherheit im Nahen Osten

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff gab „Welt Online“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Ricarda Breyton:

Frage: Die USA haben wie erwartet verkündet, aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran auszusteigen. Wie bedrohlich ist die Situation für den Nahen-Osten und die Welt?

Lambsdorff: Der Schritt der USA gefährdet ohne Frage die Sicherheit im Nahen Osten. Das Abkommen hat in einem Kernbereich internationaler Politik für Stabilität gesorgt, indem es die Nuklearisierung des Mittleren und Nahen Ostens eingeschränkt hat. Der Rückzug stellt diese Entwicklung jetzt in Frage.

Frage: Sie glauben also, dass der Iran sein militärisches Atomprogramm wieder aufnimmt?

Lambsdorff: Es wird Aufgabe der Europäer, Russen und Chinesen sein, gemeinsam auf den Iran einzuwirken, dass er das nicht tut. Die Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO haben in den letzten Jahren klar gezeigt, dass es kein militärisches Programm mehr gegeben hat. Unser Ziel muss sein, dass diese Inspektionen fortgesetzt werden.

Frage: Trump sagt, der Deal habe den Iran ohnehin nicht davon abgehalten, weiterhin Uran anzureichern. Wie schätzen Sie den Informationsstand des amerikanischen Präsidenten diesbezüglich ein?

Lambsdorff: Der Iran durfte ja auch unter dem Abkommen Uran für die zivile Nutzung anreichern. Der Grad der Anreicherung für zivile Nutzung ist ein völlig anderer als der für militärische Nutzung. Die Inspektoren der IAEO haben stets bestätigt, dass das, was der Iran angereichert hat, für die zivile Nutzung war. Der Informationsstand des Präsidenten scheint nicht der allerbeste zu sein.

Frage: Nun sagt Trump, dass das Abkommen unabhängig vom Nuklearprogramm gerade keinen Frieden gebracht habe – dass die neuen Mittel, die der Iran durch die wegfallenden Sanktionen erhalten habe, dazu genutzt worden wären, Raketen zu bauen und Terrorismus zu unterstützen. Hat er Recht?

Lambsdorff: Nein. Ich bin Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe und habe sehr genau verfolgt, wie viele israelische Sicherheitsexperten gesagt haben, dass das Abkommen einen positiven Beitrag zur Sicherheit geleistet hat. Kein Nuklearabkommen kann alle Aspekte abdecken – also auch kein Raketenprogramm oder regionale Aktivitäten des Iran, die gerade für Israel so bedrohlich sind. Und trotzdem waren in Israel viele Experten der Meinung, dass die Sicherheit in der Region durch das Abkommen eher gefördert als geschwächt wird. Wenn man sich an diesen Menschen orientiert, bekommt man ein gutes Gefühl dafür, was es für ein Fehler war, aus dem Abkommen auszusteigen.

Frage: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Trump bereits für den Austritt gelobt.

Lambsdorff: Netanjahu vertritt an dieser Stelle eine Position, die von vielen seiner eigenen Experten nicht geteilt wird. Ich verlasse mich hier auf diejenigen in Israel, die sich mit der Lage seit vielen Jahren professionell befassen.

Frage: Besteht nicht die Hoffnung, dass die amerikanischen Sanktionen den Iran derart schwächen, dass das Land zu neuen Konzessionen bereit ist?

Lambsdorff: Der Iran hat doch massive Konzessionen im Rahmen des Nuklearabkommens gemacht. Das wird seitens der amerikanischen Administration ausgeblendet. Richtig ist sicher, dass man mit Blick auf das Raketenprogramm neue Konzessionen erarbeiten kann. Richtig ist auch, dass man mit dem Iran darüber reden muss, was seine Rolle in der Region betrifft und seine Konfrontation mit Saudi-Arabien. Aber der Ausstieg aus dem Abkommen bringt uns der Lösung der anderen Probleme nicht näher. Der Ausstieg entwertet die Zugeständnisse, die der Iran bereits gemacht hat – dadurch wird es schwierig, weitere Fortschritte auf anderen Gebieten zu erzielen, die zur Sicherheit der Region beitragen.

Frage: Welchen Weg müssen die Europäer jetzt gehen?

Lambsdorff: Die Verhandlungsführung für das Abkommen lag beim Europäischen Auswärtigen Dienst, dem jetzt eine echte Führungsrolle zukommt. Ich sehe schon wieder ein Vorpreschen der nationalen Minister aus England, Frankreich und Deutschland, die vergessen, dass Brüssel für ganz Europa verhandelt hat. Viel besser wäre es, wenn die Außenministerin der EU (Federica Mogherini, EU-Außenbeauftragte, Anm. d. Red.) jetzt schnell und unmittelbar mit den anderen Beteiligten ins Gespräch ginge – mit den Russen, den Chinesen, aber auch mit Teheran. Ziel muss sein, die Inspektionen durch die Internationale Atomenergiebehörde aufrecht zu erhalten.

Frage: Sollten die Europäer gegenüber dem Iran signalisieren, dass sie an einer Nachverhandlung des Abkommens interessiert sind?

Lambsdorff: Nachverhandlungen sind ohne die USA schwierig. Dennoch sollte der Versuch unternommen werden. Denn der Iran wird durch die Sanktionen der USA ja Nachteile erleiden und die Europäer, Russen und Chinesen können hier aufgefordert sein, durch Verhandlungen das Abkommen neu auszurichten.

Frage: Der einseitige Schritt Trumps stellt auch die Europäer bloß. Was bedeutet es für die Beziehung mit den USA, wenn ein Partner einseitig aus gemeinsam verhandelten Verträgen ausbricht?

Lambsdorff: Grundsätzlich gilt: Es ist das Recht jeder souveränen Nation, aus einem Vertrag auszusteigen. Aber das Atom-Abkommen war noch sehr jung. Dass sich die USA derart schnell davon zurückziehen, wirft schwierige Fragen in Hinblick auf die Verlässlichkeit der USA auf.

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